Merlin und die Feuerproben
hob sich mit wütendem Gebrüll in die
Luft und schnitt uns völlig ab.
Während ich in die sengenden Flammen schaute, sah ich vor meinem geistigen Auge eine andere Feuerwand.
Die Glut … mein Gesicht, meine Augen! Ich kann nicht hier durch. Ich kann nicht.
Ich taumelte und fiel fast über die Kante.
»Merlin«, keuchte Cairpré. »Lass mich allein … Rette dich.«
Seine Beine knickten unter ihm ein. Ich hatte Mühe, mich aufrecht zu halten. Hinter dem brennenden Baum hörte ich das näher
kommende Gebrüll der herabstürzenden Lava. Und am Ohr das Keuchen meines Freundes.
Es war mir unerklärlich, wie ich die Kraft fand, mir seinen schlaffen Körper auf den Rücken zu laden. Stöhnend hob ich ihn
hoch und wankte auf die Flammen zu. Feuer schlug mir ins Gesicht, versengte mein Haar, leckte an meiner Tunika. Ein Zweig
verfing sich an meinem Ärmel, aber ich machte mich los. Stolpernd fiel ich vorwärts.
Auf harten Stein. Ionn wieherte und stampfte ungeduldig. Lava bespritzte uns. Ich hob Cairpré auf den breiten Rücken des Pferdes
und stieg auf.
Ionn stürmte los und vergrößerte den Abstand zwischen uns und dem Fluss aus geschmolzenem Stein. Der Hang neigte sich sanfter,
der Boden wurde besser begehbar. Trotzdem hatte ich alle Mühe, mich und den bewusstlosen Dichter auf dem Pferderücken zu halten.
Immer tiefer kamen wir – bis der Hang schließlich in die felsige Landschaft aus kleinen Hügeln überging. Gleich darauf erreichten
wir das enge Tal. Ionn mied instinktiv Bachods Dorf und lief weiter oben auf die andere Seite des Tals.
Hinter uns leuchteten die Hügel immer noch orange von der Lava. Eine mächtige Dampfsäule erhob sich in der Ferne, vielleicht
floss dort Lava ins Meer. Doch das Bergbeben hatte so gut wie aufgehört. Der Vulkanausbruch hatte sich erschöpft. Das Land
wurde immer stiller.
An einer kleinen Quelle, die durch einen Eisring sprudelte, rasteten wir. Ich besprengte Cairprés Kopf mit dem Quellwasser;
zuerst musste er husten, doch bald wollte er trinken. Es dauerte nicht lange, da hatte er sich so weit erholt, dass er redete
und sein gesalzenes Fleisch mit mir teilte, auch wenn er immer noch bleich war. In der Nähe zupfte Ionn an ein paar Grasbüscheln.
Der Dichter sah mich dankbar an. »Das war eine Feuerprobe, mein Junge. Für den Berg ebenso wie für dich.«
Ich nagte an einer Fleischscheibe. »Die größere Probe kommt noch.« Ich zögerte, fast fürchtete ich mich die Frage zu stellen,
die mir am wichtigsten war. »Hast du Hallia gesehen?«
Cairpré zögerte, schließlich sagte er: »Ja. Ich … habe sie gesehen.«
»Geht es ihr gut?«
Ernst schüttelte er die graue Mähne. »Nein, Merlin.«
Ich schluckte. »Was ist geschehen?«
»Nun, als der Ausbruch begann, stand ich ziemlich weit oben am Berg und wartete auf Bachod.« Er hielt inne und fuhr sich matt
mit der Hand über die Stirn. »Wir sollten uns dort treffen. Er verspätete sich und ich machte mir Sorgen. Der Vulkan schien
zu erwachen. Plötzlich kam Bachod. Er ritt auf einem dieser höllischen Geschöpfe! Hagelschlag und Hexenschuss, ich war ein
Narr ihm zu vertrauen!«
Er zog eine Grimasse. »Ich versuchte zu fliehen, aber er jagte mich schließlich an den Rand dieser Spalte. Ich Tollpatsch
– ich stürzte und konnte mich gerade noch festhalten.
Schon trübt sich die Sicht und nirgendwo Licht.
Er stieg ab, zog sein Schwert gegen mich – da sprang plötzlich Hallia über die Spalte. Als Bachod sie sah, fluchte er und
sprang wieder auf das Kreelix. Und schon waren sie weg und jagten sie den Hang hinauf.«
Ich sah ihn entsetzt an. »Den Hang hinauf? Aber die Lava …«
»Sie wusste genau, was sie tat. Wenn sie Bachod hinunter in ebeneres Gelände geführt hätte, hätte sie weniger Möglichkeiten
gehabt, sich zu verstecken. Höher am Berg konnte sie ihm länger entkommen und mir ein bisschen mehr Zeit verschaffen.«
»Auf Kosten ihres eigenen Lebens«, sagte ich bitter. »Also hat entweder Bachod sie erwischt oder die Lava.«
»Ich fürchte es. Weder er noch Hallia kamen zurück. Aber ich nehme an, er hat überlebt. Er hielt mich vermutlich für tot und
versuchte so viele seiner Kreelixe wie möglichzu retten. Ihr Versteck war bestimmt irgendwo oben in den Klippen.«
Er drehte einen Weidentrieb zwischen den Fingern. »Es tut mir leid, mein Junge. Schrecklich leid. So elend habe ich mich nicht
gefühlt, seit … ich mich von Elen trennte.«
Der
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