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Merlin und die Fluegel der Freiheit

Merlin und die Fluegel der Freiheit

Titel: Merlin und die Fluegel der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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bei einem Monument zu seinen Ehren getan.
     
    Ich wandte mich wieder dem Schädelfragment auf dem Boden zu. Mit der Stiefelspitze stieß ich daran. Die Sonne, die am Himmel
     hochstieg, schien auf einen Teil des Knochens und verlieh ihm einen unheimlichen Glanz.
    Plötzlich fiel mir ein weiteres Rätsel auf: Wenn die Wesen, die hier gerühmt wurden, tatsächlich Götter waren und damit unsterblich,
     warum hatte man sie dann begraben?
Nie beschmutzt mit irdischem Los
, behauptete die Inschrift. Doch . . . entweder waren sie wahrhaft göttlich und nur ihre sterblichen Hüllen waren hier beerdigt
     oder sie waren gar keine wirklichen Götter.
    Ich zog meinen Stock aus dem Gürtel und kletterte die Hügelseite hinauf. Dabei suchte ich nach weiteren Hinweisen, die den
     Ursprung dieser Stätte erklären könnten. Bestimmt lag die Antwort hier irgendwo herum! An einer Stelle blieb ich stehen und
     schaute hinter mich auf die Spur meiner Stiefelabdrücke, die einzigen an diesem Hang. Unter mir sah ich den Rand der Klippe,
     die ich erklommen hatte, und darunter eine große Wasserfläche mit schaumgekrönten Wellen, die sich bis zu Fincayras westlicher
     Küste erstreckte.
    Ich stieg weiter den Hang hinauf über zerbrochene Tonwaren, einen Kessel voll Schmutz und einen zerfallendenSchenkelknochen. Missmutig stellte ich mir vor, was mein Schatten hier tun würde: vorsichtig vorauskriechen und kleiner werden,
     um irgendwelchen Skeletten auszuweichen. Mut gehörte nicht zu seinen Tugenden. So wenig wie Verlässlichkeit. Trotzdem musste
     ich zugeben, dass ich mich merkwürdig allein fühlte ohne seine Gesellschaft.
    Schließlich erreichte ich den Gipfel des Hügels. Als ich mich der Lücke zwischen zwei großen Haufen Erde, Stein und zersplittertem
     Holz näherte, gab der Boden unter meinen Stiefeln nach. Ich ging vorsichtig näher an die Öffnung und schaute hinunter in eine
     steilwandige Grube. Sie wirkte fast bodenlos und war vollkommen rechteckig mit einem langen, schmalen Durchgang, der sie in
     einer Nord-Süd-Linie in zwei Teile trennte. An den Wänden standen zahlreiche Hölzer und Steine vor, alles, was von Kammern
     – auf mehreren Stockwerken – übrig geblieben war, die einst die Grube gefüllt hatten. An den Ecken standen, von Schutt bedeckt,
     mehrere weitere Sandsteine sowie vereinzelte Pfosten und Abdecksteine, die vermutlich die Eingänge gesäumt hatten. Aber ich
     wusste immer noch nicht, was das alles bedeutete.
    Dann bemerkte ich beim Rand der Grube die erste lebende Pflanze, die ich seit der Ankunft auf dieser Insel gesehen hatte.
     Ihre Blätter zitterten in der Seebrise, sie waren nicht grün, sondern goldglänzend. Eine Mistel! Vorsichtig näherte ich mich
     ihr, wobei ich prüfte, ob die lose Erde mein Gewicht trug. Es war tatsächlich der goldene Zweig, das Sinnbild der Geisterwelt.
     Sonderbarerweise lag er nicht auf dem Boden, sondern wand sich um einen schimmernden schwarzen Stein.
    Etwas knirschte unter meinem Stiefel. Ich sprang zurück und löste ein Beben in der ungefestigten Erde aus, wodurchein blau bemaltes Schild über den Rand der Grube rutschte. Ungläubig horchte ich auf die lange Stille, bevor das Schild schließlich
     auf den Grund schlug.
    Ich bückte mich und schaute nach, was meinen Stiefel berührt hatte. Noch mehr Knochen – diesmal die Reste einer Hand. Von
     der Zeit weiß gebleicht, trug die Hand einen Smaragdring auf einem der leblosen Finger. Sacht berührte ich die Knochen und
     fragte mich, wer sie bewegt hatte und zu welchem Zweck.
    Mit wenigen weiteren Schritten war ich bei der Mistel. Überrascht blieb ich stehen. Der schwarze Stein, um den sie sich ringelte,
     war der Kopf einer Statue. Sorgfältig aus schwarzem Obsidian geschnitzt, stellte die lebensgroße Figur einen Mann dar – der
     jetzt mit dem Gesicht nach unten im Schmutz lag. Selbst so strahlte er unverkennbar Macht und Reichtum aus. In königlicher
     Haltung trug er fließende Gewänder, einen Mantel, der mit Rubinen und Kupferplättchen besetzt war, und einen Gürtel aus gesponnenem
     Gold. Selbst von hinten konnte ich einen großen, dichten Bart sehen, wie ich ihn mir selbst erträumte.
    Etwas an diesem Mann wirkte ansprechend. Fast vertraut. Von dem schimmernden Mistelzweig gekrönt, wirkte er stark und zerbrechlich,
     würdevoll und gedemütigt. Dann sah ich eine merkwürdige gesplitterte Spitze aus seinem Rücken ragen, fast wie ein abgebrochener
     Speer zwischen seinen Schulterblättern.
    Ich

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