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Merlin und die Fluegel der Freiheit

Merlin und die Fluegel der Freiheit

Titel: Merlin und die Fluegel der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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Menschen, die sich als Götter
sahen
. Ja, als
göttliche Herren.
    Ich konnte den Blick nicht von dem Mistelzweig wenden. Plötzlich verdunkelte sich die Szene. Große, schwere Wolken sammelten
     sich oben, von Blitzen gezeichnet. Dann begann der Hügel und alles rundum zu beben, so heftig, dass sich tiefe Spalten im
     Land öffneten und Erde in die Luft schleuderten. Die Geflügelten flohen in Panik in die Luft – da kam eine riesige Gestalt
     aus den Wolken, bereit zu ihnen hinabzusteigen. In dem ganzen Chaos erkannte ich nicht recht, was es war, obwohl in einem
     Blitz ein Schatten sichtbar wurde, der über den Hügel fiel, ein Schatten, der aussah wie eine einzige riesige Hand.
    Plötzlich hörte ich eine Stimme – nicht mit den Ohren, sondern im Geist. Diese Stimme kannte ich gut: volltönend, weise und
     von Leid erfüllt. Ich wusste sofort, dass ich Dagdas Worte vernahm:
    »Achtet auf meine Worte, ihr, die geflogen und gefallen seid! Ihr habt mein Vertrauen enttäuscht, meine Warnungen missachtet.
     Ja, ihr habt eure Flügel mit Blut befleckt! Und deshalb sollen eure Gaben genommen, euer kostbares Grab zerstört und das Land
     darunter vergessen werden.«
    Die Stimme hielt inne, ihre Worte hallten in mir, wie sie an jenem schicksalsschweren Tag in der Luft gehallt hatten.
»Jetzt werde ich mit dieser Hand, die euch vor langer Zeit Flügel gab, dieses Land von jedwelchem anderen Land wegreißen,
     genau wie ihr eure Leute von allen anderen Leuten weggerissen habt. So
soll es bleiben, unverändert, wie der Schmerz, der tiefer liegt als eure Knochen. Denn dieses Land bleibt verflucht und verdammt.«
    Die Szene ging abrupt in einem Farbenstrudel unter, der dunkler und röter war als zuvor. Allmählich verblassten die Farben,
     dann verschwanden sie völlig. Alles, was in dem Kranz aus goldenen Blättern blieb, war Erde, trocken und kahl.
    Ich starrte auf den leeren Kreis, dann schaute ich auf den windgepeitschten Hang um mich herum, der mit den Trümmern jenes
     Tages bedeckt war. Waffen, Schmuck und Kultsteine lagen überall. Doch keines dieser Dinge hatte jenes Volk – mein Volk – vor
     seinem Schicksal beschützt. Ich zuckte zusammen beim Gedanken an den Hochmut, der den Menschen erlaubt hatte, eine Anbetungsstätte
     zu Ehren ihrer selbst zu schaffen. Der zu so großen Verlusten führte, für sie und für Fincayra.
    Ich nahm eine Handvoll Erde und presste sie durch die Finger. Keine grünen Pflanzen waren seit jenem Tag hier gewachsen, nie
     würde es sie geben.
Verflucht und verdammt.
Dieses Land konnte nie wieder zum Leben erblühen.
    Es sei denn . . .
    Langsam griff ich in meinen Lederbeutel, der noch feucht vom Fall ins Meer war. Ich zog meinen Samen heraus, dessen braune
     Oberfläche immer noch in seinem eigenen Rhythmus pulsierte. Er schimmerte im Sonnenlicht; schon lange hatte ich ihn mit mir
     getragen und mich immer gefragt, wo er gepflanzt werden sollte. Die elende Vergangenheit dieses Ortes konnte ich nicht ändern,
     aber mit einer kleinen Handlung war es mir vielleicht möglich, seine Zukunft zu ändern.
    »Hör mich jetzt, magischer Samen«, erklärte ich, meineStimme wurde vom Wind verweht. »Ich biete dich der Erde dieses verwüsteten Landes an. Gib ihr Leben! Lass sie fruchtbar sein,
     wie sie vor langer, langer Zeit fruchtbar gewesen sein muss.«
    Sorgfältig legte ich den Samen auf den Boden mitten im Mistelkranz. Sowie ich die Hand zurückzog, bebte der Samen plötzlich;
     er zitterte heftig, fing an sich zu winden und in die Erde zu graben. Während er tiefer sank, hüllte Erde ihn ein, als würde
     das Land selbst ihn fest umfassen. Dann war er verschwunden.
    Ich wartete und hoffte, etwas werde geschehen. Aber die Erde bewegte sich nicht; kein grüner Trieb kam in dem goldenen Kreis
     zum Vorschein. Trotzdem war ich überzeugt das Richtige getan zu haben.
    Dann hörte ich zu meiner Überraschung wieder Dagdas volltönende Stimme. Das waren bestimmt die letzten Worte, die er an jenem
     dunklen Tag gesprochen hatte:
    »Und noch eins werde ich sagen: Nur wenn in künftigen Tagen eure Leute hierher reisen und wahrhaft lernen, was ihr getan habt,
     kann dieses Land endlich von seinem Fluch befreit sein.«
Er machte eine Pause und mir schlug das Herz bis zum Hals in der Hoffnung, tatsächlich wahrhaft gelernt zu haben . . . und
     dass der Fluch von diesem Land endlich genommen war. Dann fuhr er fort:
»Und doch werden diese Reisenden der Zukunft, auch wenn sie auf dieser Erde stehen

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