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Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Titel: Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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Wahrheit ist, dass ich einen eigenen Schatz habe. Meinen jungen Freund hier. Und er ist für mich kostbarer
     als ein Meer voller Schätze.«
    Ich schluckte und fuhr mit dem Finger über den Lederbeutel meiner Mutter. Trotz dem Duft der reifen Äpfel konnte ich die Kräuter
     darin riechen. »Was würdest du tun, Honn, wenn du je diesen Schatz verlieren würdest? Diesen Freund?«
    Sein Gesicht wurde hart wie Stein. »Nun, ich würde alles tun, was in meiner sterblichen Macht steht, um ihn zurückzubekommen.«
    »Selbst wenn es bedeuten würde, deine Arbeit im Stich zu lassen?«
    »Keine Arbeit könnte wichtiger sein als das.«
    Ich nickte grimmig.
Keine Arbeit könnte wichtiger sein als das.
    Ich sprang über die Grube und ging weiter. Am Rande des Obstgartens blieb ich stehen und schaute zu den dunklen Hügeln, die
     wie Kohle in der untergehenden Sonne glühten. Der lange, dünne Schatten meines Stocks schien direkt auf den eingekerbten Hügel
     zu deuten, wo ich mich von meiner Aufgabe abgewandt hatte.
    Langsam schwenkte ich nach Norden. Ich würde bald zu diesen Hügeln und meiner Aufgabe zurückkehren. Und dann würde ich jeden
     Grashalm, den ich finden konnte, neu beleben. Doch zuerst musste ich etwas anderes tun. Ich musste meine Mutter wieder finden.
     Und wie Honn würde ich alles tun, was in meiner sterblichen Macht stand, um Erfolg zu haben.

V
DER SPASSMACHER
    S pät am nächsten Tag, als goldene Lichtstreifen leuchtende Fäden durch das Gras der verdorrten Ebenen woben, stand ich auf
     einer Anhöhe. Unter mir lagen ringförmig angeordnete Häuser aus Lehmziegeln. Lange Holzbalken zwischen ihren Mauern verbanden
     sie wie die Arme kleiner Kinder, die im Kreis stehen. Der Duft von röstenden Körnern über einem Holzfeuer stieg mir in die
     Nase.
    Ich war voller Erwartung – mit einer Beimischung von Furcht. Denn das war Caer Neithan, die Stadt der Barden. Der Dichter
     Cairpré hatte versprochen, nach dem großen Rat hierher zu kommen und zu helfen den Schaden, den Stangmar verursacht hatte,
     zu beheben. Und wenn es in ganz Fincayra einen Menschen gab, der mir helfen konnte meine Mutter zu finden, dann war es Cairpré.
    Er würde nicht erfreut sein mich wieder zu sehen, wenn ein so großer Teil meiner Arbeit noch ungetan war. Doch auch er hatte
     Elen mit den Saphiraugen gekannt, schließlich hatte er sie vor Jahren unterrichtet. Hatte er mir nicht einmal erzählt, dass
     er von ihr mehr über die Heilkunst gelernt hatte als sie je von ihm? Vielleicht wusste er von irgendeiner Möglichkeit, sie
     durch den Nebelvorhang zu bringen, der die Insel umgab. Dann, endlich wieder mit ihr vereint, konnte ich frohen Herzens meine
     Arbeit in den dunklen Hügeln beenden.
    Ich ging den Hang hinunter, mein Stock schlug im gleichen Takt auf die verkrustete Erde wie die Harfe an meinen Rücken. Ich
     horchte auf die anschwellenden Geräusche der Stadt und dachte an die unheimliche Stille, die sie bei meinem letzten Besuch
     eingehüllt hatte. Eine Stille, die auf ihre Art lauter gewesen war als ein Gewittersturm.
    Dabei hatte die Stadt der Barden nur selten Stille gekannt. Kein Ort in Fincayra hatte eine reichere Tradition der Geschichten
     und Lieder. Denn im Lauf der Jahrhunderte waren hier viele der wichtigsten Geschichtenerzähler des Landes aufgewachsen, hier
     hatten sie ihre ersten Arbeiten vorgetragen. Selbst Cairpré, von dessen Dichterruhm ich nur durch andere erfahren hatte, war
     in einem dieser Lehmziegelhäuser geboren.
    Als ich mich dem Stadttor näherte, das im goldenen Licht schimmerte, traten immer mehr Leute aus ihren Türen. Sie trugen lange
     Tuniken aus weißem Tuch und hoben sich deutlich von den Lehmwänden ihrer Häuser, den dunklen Balken dazwischen und den leeren
     Blumenkästen an den Fenstersimsen ab. Ich griff nach der Harfe und war versucht diese Blumenkästen mit etwas anderem als Schatten
     zu füllen. Doch ich hielt mich zurück, ich wollte noch warten, bevor ich meine Ankunft bekannt machte.
    Immer mehr Leute kamen heraus. Sie unterschieden sich auffällig in Hautfarbe, Alter, Haar, Gestalt und Größe. Doch neben der
     weißen Tunika war ihnen eine Besonderheit gemeinsam: Alle schienen zu zögern und wegen irgendetwas unsicher zu sein. Statt
     sich im offenen Kreis vor den Häusern zu versammeln blieben sie am äußeren Rand. Einige standen in ihren Eingängen, andere
     gingenunruhig hin und her, doch die meisten saßen auf den Holzbalken, die den Kreis umgaben. Offenbar

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