Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit
schwer, zu lachen, denn ich wusste, dass ich der Nächste
sein würde.
XVI
NASSE ABENTEUER
P lötzlich konnte ich nicht mehr atmen.
Wind fegte an mir vorbei. Ich stürzte tiefer, immer tiefer. Ich kämpfte um Luft. Zwecklos! Der heulende Wind zerrte an mir.
Doch ich konnte meine Lungen nicht wie gewohnt damit füllen. Dann fiel ich platschend ins kalte Wasser. Meine Kiemen öffneten
sich weit. Kiemen! Endlich atmete ich wieder. Während das Wasser um mich herumströmte, strömte es auch durch mich.
Keine Arme mehr. Keine Beine. Mein Körper war jetzt ein einziger stromlinienförmiger Schwanz mit beweglichen Flossen oben,
unten und an beiden Seiten. Eine Flosse bog sich um einen kleinen Zweig, vermutlich alles, was von meinem Stock übrig geblieben
war. Ich hatte keine Ahnung, was aus meinem Bündel, den Stiefeln und der Tunika geworden war.
Ich brauchte einen Moment, bis ich das Gleichgewicht gefunden hatte, denn immer, wenn ich versuchte die Flossen zu bewegen,
fiel ich auf die Seite. Und ich brauchte länger als einen Augenblick, bis sich mein zweites Gesicht an das trübe, diffuse
Unterwasserlicht gewöhnt hatte. Außer in der Wasserschicht gleich unter der Oberfläche gab es nur abgestuftes Dunkel.
Doch nachdem ich mich ein paar Minuten lang abgezappelt hatte, wuchs meine Zuversicht. Ich entdeckte, dass ich jetzt mit ganz
anderen Bewegungen schwimmenmusste als in Menschengestalt. Armzüge kamen nicht in Frage. Beinschläge wie gewohnt auch nicht. Ich musste den ganzen Körper
von einer Seite auf die andere schnellen wie eine lebende Peitsche, die durch die Luft geschwungen wird. Jede Schuppe auf
meiner Haut, von den Kiemen bis zur Schwanzflosse, machte die Bewegung mit. Bald stellte ich fest, dass ich durch die Wellen
flitzen konnte. Und ich konnte mich nach oben oder unten wenden, nach rechts oder links.
Ein schlanker Fisch, grün und braun gesprenkelt, schwamm herüber. Ich wusste sofort, dass es Rhia war, denn obwohl sie nicht
länger als ich unter Wasser gewesen war, bewegte sie sich graziös in der Strömung. Wir winkten uns mit unseren Finnen. Sie
gab eine Art Husten von sich und mir wurde klar, dass sie beim Anblick meines Miniatursteckens lachte.
In diesem Moment schwamm Bumbelwy langsam auf uns zu, am Schwanz zog er einen abgerissenen Tangstreifen hinter sich her. Auch
ohne Glocken war er leicht zu erkennen. Von vorn sah er mit seinen hängenden Kinnen aus wie ein Aal mit einem Rüschenkragen.
Er wirkte beinah komisch, auch wenn ihm das nicht bewusst war.
Als Erstes mussten wir lernen zusammenzubleiben. Rhia und ich schwammen abwechselnd voran und Bumbelwy folgte uns stetig.
Mit der Zeit stimmten Rhia und ich uns immer mehr aufeinander ab. Langsam entwickelten wir einen sechsten Sinn, den gleichen
Instinkt, der einen ganzen Fischschwarm zusammenhält. Nach dem ersten Tag im Wasser bewegten wir beide uns fast wie ein einziges
Geschöpf.
Ruhige Freude durchströmte mich, während wir durchausgedehnte Tangwälder schwammen oder durch die wogenden Wellen sprangen. In den Strömungen konnte ich Gefühle so gut wie
Aromen erkennen. Ich empfand das Vergnügen einer Delphinfamilie, die einsame Plackerei einer Wanderschildkröte, den Hunger
einer neugeborenen Seeanemone. Doch ich vergaß nie, wie ernst meine Aufgabe war. Selbst während ich in vollen Zügen die Erfahrung
genoss, ein Wassergeschöpf zu sein, wusste ich, dass dies alles nur ein Mittel war, Zeit zu sparen – und vielleicht Elen zu
retten. Aber falls ich je diese Suche überleben und eines Tages tatsächlich ein Magier werden sollte, vielleicht sogar der
Ratgeber eines jungen Königs oder einer Königin, dann wollte ich mich an die Wonnen erinnern, die mein Zögling genießen könnte,
wenn ich ihn in einen Fisch verwandelte.
Eine dieser Wonnen war die Entdeckung, welche Fülle an Nahrung das Meer bot. Tatsächlich war das Meer in Wirklichkeit ein
riesiges, schwimmendes Festessen! Tag für Tag aß ich Insekten, Eier und Würmer bis zum Platzen. Rhia zeigte sich geschickt
darin, schmackhafte kleine Langusten zu fangen. Bumbelwys Appetit hörte bei Würmern auf, obwohl auch er viele merkwürdige
Meeresdelikatessen probierte.
Zugleich hüteten wir uns möglichst davor, Delikatessen für andere zu werden. Einmal schwamm ich durch einen Tunnel strahlend
gelber Korallen und stellte fest, dass ein sehr großer, sehr hungriger Fisch am anderen Ende auf mich wartete. So schnell
ich auch
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