Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit
klatschte. »Ich habe sozusagen eine flüssige Vortragsweise.« Sein heiseres Lachen hallte über
den See.
Ich stützte mich auf meinen Stock und stand auf. »Nein danke. Das einzige Lied, das uns gefällt, hat nichts mit Wasser zu
tun.« Dann kam mir plötzlich eine Idee. »Du weißt nicht zufällig etwas über die Magie des Verbindens, oder?«
Rhia runzelte die Stirn. »Merlin«, warnte sie. »Du kennst ihn überhaupt nicht! Er könnte . . .«
». . . ein Experte in Verbindungsangelegenheiten sein«, sagte der Otter gelassen. »Meine liebste Freizeitbeschäftigung. Das
heißt, wenn ich nicht gerade auf dem Rücken treibe und die Wolken betrachte.«
»Siehst du?«, flüsterte ich ihr zu. »Er könnte uns sagen, was wir wissen müssen. Ich sehe sonst niemanden an diesem See, der
uns helfen könnte.«
»Ich traue ihm nicht.«
»Warum nicht?«
Sie drückte die Zunge an ihre Wange. »Ich weiß nicht genau. Es ist nur ein Gefühl. Ein Instinkt.«
»Oh, zum Teufel mit deinen Instinkten! Die Zeit läuft uns davon!« Ich suchte den Seerand nach Anzeichen irgendwelcher anderer
Geschöpfe ab, die uns vielleicht beistehen könnten. Es gab keine. »Warum sollte er uns anlügen? Wir haben keinen Grund ihm
zu misstrauen.«
»Aber . . .«
Ich knurrte vor Ungeduld. »Was ist denn jetzt wieder?«
Sie zischte mich an wie eine Schlange. »Es ist . . . ach,zum Teufel damit, Merlin. Ich kann es nicht in Worte fassen.«
»Dann richte ich mich danach, was ich denke, nicht was du fühlst. Und ich denke, dass jedes Geschöpf, das in diesem verzauberten
See lebt, über irgendein besonderes Wissen verfügt. Vielleicht sogar über eine besondere Macht.« Ich wandte mich wieder an
den Otter, der näher gekommen war. »Ich muss die Seele – das erste Prinzip – der Kunst des Verbindens finden. Willst du mir
helfen, guter Otter?«
Der Otter neigte den Kopf zum Ufer und spuckte einen Wasserstrahl auf mich. »Warum sollte ich?«
»Weil ich dich gebeten habe, darum.«
Er blies ein paar Blasen ins Wasser. »Uuuh, das kitzelt mich an den Ohren.« Weitere Blasen. »Du musst mir einen besseren Grund
nennen.«
Ich stieß meinen Stab auf die Erde. »Weil es ums Leben meiner Mutter geht.«
»Hmmm«, sagte er träge. »Deine Mutter? Ich hatte auch einmal eine Mutter. Sie war eine schrecklich langsame Schwimmerin. Na
schön, ich glaube, ich könnte dir helfen. Aber nur mit den Grundkenntnissen.«
Mein Herz hämmerte. »Das ist es, was ich brauche.«
»Dann reiß ein paar von diesen Stängeln aus.« Er trieb näher ans Ufer. »Zu deinen Füßen.«
»Stängel?«
»Natürlich.« Der Otter schwamm langsam im Kreis. »Wenn du das Verbinden lernen willst, musst du etwas binden. Mach schon,
Junge! Ich habe nicht den ganzen Nachmittag Zeit. Deine lächelnden Freunde sollen dir helfen.«
Ich wandte mich an Rhia, die immer noch misstrauisch aussah, und an Bumbelwy, der grämlich war wie stets. »Helft ihr mir?«
Widerwillig sagten sie zu. Die Stängel waren zwar biegsam, aber dick und stark verwurzelt, mit vielen winzigen Dornen bedeckt.
Schwer zu fassen, schwer zu heben. Sie aus der Erde zu ziehen war eine schwierige Aufgabe. Noch schwieriger sie zu entwirren.
Endlich hatten wir es geschafft. Mehrere Stängel, jeder drei- oder viermal so groß wie ich, lagen vor mir. Bumbelwy setzte
sich mit lautem Geklirr erschöpft hin, den Rücken zum Wasser gewandt. Rhia blieb neben mir und behielt den Otter argwöhnisch
im Auge.
Ich streckte meinen Rücken, die Stelle zwischen den Schulterblättern schmerzte fürchterlich. Bestimmt hatte ich mir bei dieser
Arbeit etwas gezerrt. »Wir haben es geschafft. Was jetzt?«
Der Otter schwamm weiter im Kreis. »Jetzt binde einen um deine Beine. So fest du kannst.«
»Merlin!«, warnte Rhia. Sie griff an Elens Amulett aus Eiche, Esche und Weißdorn, das noch an ihrem blättrigen Hemd befestigt
war.
Ich achtete nicht auf sie, setzte mich und wickelte einen dieser Stängel um meine Knöchel, Waden und Schenkel. Trotz der Dornen
schaffte ich es, ihn mit einem dreifachen Knoten zusammenzubinden.
»Gut«, seufzte der Otter gähnend. »Jetzt mach das Gleiche an deinen Armen.«
»Meinen Armen?«
»Willst du etwas über das Binden lernen oder nicht?«
Ich wandte mich an Rhia. »Hilf mir, sei so gut.«
»Ich will nicht.«
»Bitte. Wir verlieren kostbare Zeit.«
Sie zuckte die Schultern. »Meinetwegen. Aber es kommt mir ganz falsch vor.«
Der Otter mit seinem schimmernden
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