Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Titel: Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
Vom Netzwerk:
vergessenen Insel
     schaute. Gerade bevor der Schmetterling landete, überlegte er es sich offenbar anders und kehrte zu dem knorrigen Stock zurück.
     Ich sah zu, wie seine stumpfbraunen Flügel, von denen einer sehr verschlissen war, sich langsam öffneten und schlossen.
    Mit einem Blick auf Rhia erklärte ich: »Wir müssen sie finden.«
    »Wen?«
    »Cwen. Vielleicht kann sie mir sagen, was diese Steinhaufen verschweigen.«
    Rhia schnitt ein Gesicht, als hätte sie eine Hand voll saurer Beeren gegessen. »Dann sind wir verloren. Es gibt keine Möglichkeit,
     sie zu finden, selbst wenn sie den Verlust ihres Arms überlebt hat. Außerdem könnten wir ihr nicht trauen, selbst wenn wir
     sie fänden.« Und dannspuckte sie fast heraus: »Sie ist eine Verräterin durch und durch.«
    Unter uns donnerte eine riesige Welle an die Klippe und jagte mit ihrem Gischt Dreizehenmöwen und Seeschwalben kreischend
     in die Flucht. »Trotzdem muss ich es versuchen! Bestimmt hat jemand sie gesehen, nachdem sie wegging. Wenn Bäumlinge heutzutage
     so selten sind, würde jemand wie sie bemerkt, oder nicht?«
    Rhia schüttelte den Kopf. »Du hast es noch nicht begriffen. So wenig wie an irgendeinem Ort hielten Bäumlinge es in irgendeinem
     Körper aus.«
    »Du willst doch nicht sagen . . .«
    »Doch! Sie konnten ihre Gestalt verändern. Du weißt, wie die meisten Bäume im Herbst ihre Farben wechseln und im Frühling
     ein ganz neues Kleid tragen? Die Bäumlinge gingen noch viel weiter. Sie tauschten ständig ihre baumähnliche Gestalt gegen
     die eines Bären oder eines Adlers oder eines Froschs. Deshalb werden sie in der Strophe über das Verändern genannt. Sie waren
     Meister darin.«
    Meine Hoffnungen, schon so verletzlich wie der Schmetterling auf meinem Stock, schwanden völlig. »Also könnte Cwen, falls
     sie noch lebt, wie alles Mögliche aussehen.«
    »Alles, was du dir nur denken kannst.«
    Bumbelwy spürte meine Verzweiflung. »Ich könnte dir ein Lied vorsingen, wenn du willst. Etwas Leichtes, Fröhliches.«
    Ich brachte nicht die Energie zum Widerspruch auf und so fing er an zu singen, wobei er den glockenbehangenen Hut im Takt
     schwenkte.
    Des Lebens endlose Pein
    Könnte noch schlimmer sein!
    Doch ich bin munter und froh,
    Stillvergnügt sowieso.
     

    Todesangst herrscht hier und da,
    Mir ist die Freude nah.
    Denn’s könnte noch schlimmer sein
    Mit dieses Lebens Pein.
     
    Sei heiter! Sieh endlich ein,
    ’s könnte viel schlimmer sein.
    Dann wäre keiner mehr froh.
    Fragt lieber nicht, wieso.
    »Hör auf!«, schrie Rhia. »Wenn dir wirklich so zu Mute ist, warum springst du dann nicht einfach von dieser Klippe und machst
     deinem Elend ein Ende?«
    Bumbelwy legte seine Kinne in vorwurfsvolle Falten. »Hast du nicht zugehört? Das ist ein fröhliches Lied! Eins meiner liebsten.«
     Er seufzte. »Ach je, ich muss den Vortrag vermasselt haben. Wie gewöhnlich. Gut, ich will es noch mal versuchen.«
    »Nein!«, rief eine Stimme.
    Aber es war nicht Rhias Stimme. Auch nicht meine. Der Schmetterling hatte protestiert.
    Mit verzweifeltem Geflatter flog das winzige Geschöpf in die Luft und trudelte dann herunter. Gerade bevor es ins Gras fiel,
     ertönte ein lauter Knall. Der Schmetterling verschwand.
    An seiner Stelle stand eine schlanke, knorrige Gestalt, halb Baum und halb Frau. Ihre Haare, struppig wie Stroh,fielen über ihr Gesicht mit der rindenähnlichen Haut und den großen, dunklen, tränenförmigen Augen. Ein braunes Gewand bedeckte
     ihren Körper bis zu den breiten knotigen Füßen, die Wurzeln ähnelten. Nur ein Arm streckte sich aus ihrem Gewand, die Hand
     trug einen Silberring am kleinsten der sechs Finger. Sie strömte den süßen Duft von Apfelblüten aus, der nicht zu ihrem mürrischen
     Gesicht passte.
    Rhia stand so steif wie ein dürrer Ast. »Cwen.«
    »Ja«, flüsterte der Bäumling, die Stimme raschelte wie trockenes Gras. »Es issst Cwen. Diessselbe Cwen, die dich alsss Baby
     umsssorgt und bei vielen Krankheiten gepflegt hat.«
    »Und die versuchte mich den Goblins auszuliefern!«
    Cwen fuhr sich mit der Hand durch das struppige Haar. »Dasss wollte ich nicht. Sssie versssprachen dir nichtsss zu tun.«
    »Du hättest wissen müssen, dass sie logen. Niemand kann einem Kriegergoblin trauen.« Rhia starrte die verkrümmte Gestalt an.
     »Niemand kann
dir
trauen.«
    »Merkssst du nicht, dasss ich dasss weiß?«
    Eine Dreizehenmöwe landete im nahen Gras und zupfte mit dem Schnabel an einigen

Weitere Kostenlose Bücher