Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Titel: Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
Vom Netzwerk:
zu rühren oder wegzulaufen. Gebannt
     starrte sie ins Wasser.
    Ich lief zu ihr hinunter. Bumbelwy folgte mir und stolperte abwechselnd über seinen zerrissenen Umhang und das Gestrüpp am
     Ufer. Gerade als ich bei Rhia war, drehte sie sich um. Ihr Gesicht, sonst so lebhaft gerötet, war totenbleich. Wie in plötzlicher
     Furcht hielt sie die Luft an, als sie mich sah, dann schauderte sie und griff Hilfe suchend nach meinem Arm.
    Ich stützte sie. »Ist alles in Ordnung?«
    »Nein«, antwortete sie schwach.
    »Hast du etwas im See gesehen?«
    »J-ja.« Sie schüttelte sich wieder und ließ meinen Arm los. »Und du – du schaust besser nicht hinein.«
    »Gut.« Bumbelwy blinzelte nervös auf das dunkle Wasser. »Gehen wir.«
    »Wartet.« Ich trat an den Rand des Sees. Als ich in das stille Wasser schaute, sah ich mein Spiegelbild so klar, dass ich
     einen Augenblick glaubte, mein Zwilling sei im See und starre zurück. Was, überlegte ich, konnte an einem so vollkommenen
     Spiegelbild so erschreckend sein? Da waren meine nutzlosen Augen, wie Kohlebrocken lagen sie unter den Brauen. Und meine narbigenWangen, von Flammen versehrt, die ich immer noch fast spüren konnte. Ich fuhr mir übers Gesicht und wünschte, dass ich mir
     eines Tages einen Bart wachsen lassen könnte, der diese Narben verbarg. Einen lockigen weißen Bart, wie ihn Tuatha in meiner
     Vorstellung getragen hatte.
    Ich sprang zurück. Dem Jungen im See war ein Backenbart gewachsen. Zuerst schwarz, dann grau, dann weiß wie der Quarz am Hügel,
     war er lang und struppig geworden. Er bedeckte fast das ganze Gesicht des Jungen und wurde immer länger. Bald fiel er ihm
     bis zu den Knien. War das möglich? Erzählte mir der See des Gesichts, dass ich eines Tages wie mein Großvater vor mir einen
     Bart tragen würde? Dass ich eines Tages wie er ein Zauberer sein würde?
    Ich lächelte und schaute mit wachsender Zuversicht in das stille schwarze Wasser. Was Rhia gesehen hatte, war offenbar verschwunden.
     Ich beugte mich tiefer hinunter. Der Junge im See, jetzt ohne Bart, wandte sich langsam von mir ab. Er lief auf etwas zu.
     Nein, auf jemanden. Ein großer muskulöser Krieger mit einem roten Band um die Stirn schritt aus den Tiefen. Als er näher kam,
     erkannte ich, dass er nur ein Auge hatte. Ein riesiges, grimmiges Auge. Balor!
    Zu meinem Entsetzen sprang der Oger mühelos um den Jungen herum, packte ihn am Hals und hob ihn hoch. Meine Kehle zog sich
     zusammen, als ich zusah, wie der Junge von mächtigen Händen gewürgt wurde. Sosehr ich mich auch bemühte, ich konnte mich von
     der erschreckenden Szene nicht abwenden. Der Junge wehrte sich heftig und versuchte nicht in das tödliche Auge des Ogerszu schauen. Doch die Kraft des Auges zog ihn an. Schließlich gab er auf. Er zuckte noch einmal mit den Beinen, dann hing er
     schlaff in den Händen des Ogers.
    Ich fiel rückwärts zu Boden und rang nach Luft. Alles drehte sich vor meinen Augen. Mein Hals schmerzte. Mit jedem Atemzug
     hustete ich unkontrollierbar.
    Rhia und Bumbelwy beugten sich über mich. Sie drückte mir die Hand, während er mir mitfühlend die Stirn tätschelte. Langsam
     legte sich mein Husten. Noch war kein Wort zwischen uns gefallen, da rief uns jemand über das Wasser etwas zu.
    »Du findest also«, keuchte eine spöttische Stimme, »dass die Prophezeiung des Sees sozusagen schwer zu schlucken ist?« Ein
     kräftiges, heiseres Lachen folgte. »Oder schnürt sie dir sozusagen die Kehle zu?«
    Ich hatte mich wieder gefasst und schaute über die dunkle Oberfläche des Sees. Dort, wo man die Nase des Männerprofils erkennen
     konnte, entdeckte ich einen riesigen haarigen Otter, silbern bis auf das weiße Gesicht. Er trieb gemächlich auf dem Rücken
     und bewegte so sacht die Beine, dass er kaum eine Welle verursachte.
    Ich deutete hinaus. »Da! Ein Otter.«
    Rhia schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich hätte nicht gedacht, dass irgendjemand hier lebt.«
    »Ich lebe nur, wo ich ottere«, antwortete er vergnügt und spuckte einen Wasserstrahl durch seine Vorderzähne. »Habt ihr Lust,
     ein bisschen mit mir zu schwimmen?«
    »Kommt nicht in Frage«, erklärte Bumbelwy. Er schwenkte seine langen Ärmel wie Flossen, wobei seine Glocken ihm Wasser aufs
     Gesicht tropften. »Ich bin für mein ganzes Leben genug geschwommen.«
    »Dann sollte ich euch vielleicht eins meiner Wasserlieder vorsingen?« Der Otter schwamm träge auf uns zu, wobei er sich mit
     beiden Pfoten auf den Bauch

Weitere Kostenlose Bücher