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Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Titel: Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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auf dessen Hängebacken die Spuren seiner Tränen zu sehen waren. »Hilf mir auf, sei so gut.«
    Ernst sah er mich an. »Sie ist tot.«
    »Tot.« Ich spürte die neue Lebenskraft in mir. »Aber nicht fort, mein guter Spaßmacher.«
    Mit Mühe half mir Bumbelwy auf die Füße. In meinen Armen trug ich Rhias leeren Körper, ihr Kopf hing herunter. »Jetzt bring
     mir mein Schwert. Und meinen Stock.«
    Kopfschüttelnd zog der triste Spaßmacher das Schwert aus Balor. An seinen Stiefeln wischte er die Klinge sauber. Dann holte
     er meinen Stock von den Felsen. Er schob mein Schwert in die Scheide und den Stock in meinen blutgetränkten Gürtel.
    Dann musterte er mich trübsinnig. »Wohin gehst du mit ihr?«
    »In die Anderswelt.«
    Er zog die Augenbrauen hoch. »Dann warte ich hier auf dich. Obwohl du nie zurückkehren wirst.«
    Ich ging auf den Ring aus weißen Steinen zu, dann blieb ich stehen und drehte mich noch einmal zu ihm um. »Bumbelwy, falls
     ich nicht zurückkomme, möchte ich, dass du etwas weißt.«
    Alle seine Falten und Kinne bogen sich traurig nach unten. »Und was?«
    »Du bist ein schrecklicher Spaßmacher. Aber ein treuer Freund.«
    Damit wandte ich mich dem Schacht zu. Ich trat über die Steine und meine Arme waren so schwer wie mein Herz.

XXXI
IN DEN NEBEL
    E in warmer Windstoß schlug mir ins Gesicht, als ich in den Andersweltschacht schaute. Eine Wendeltreppe aus den gleichen polierten
     weißen Steinen wie am Eingang führte in der Mitte des Kreises nach unten. Ich konnte nicht sehen, wie tief die Stufen hinuntergingen,
     aber ich vermutete, dass es sehr tief war.
    Mit Rhias schlaffem Körper in den Armen trat ich vorsichtig auf die erste Stufe. Nach einem tiefen Atemzug, vielleicht meinem
     letzten mit Luft von Fincayra, stieg ich die Treppe hinunter. Immer tiefer ging ich und achtete darauf, nicht zu stolpern.
     Sosehr mir auch Rippen, Kehle und Schultern von meinem Kampf mit Balor schmerzten, mein Herz schmerzte noch mehr, weil ich
     den leblosen Körper meiner Freundin trug. Meiner Schwester.
    Nach mehr als hundert Stufen fielen mir zwei überraschende Dinge auf. Erstens wurde es in dem Schacht nicht dunkler. Im Gegensatz
     zu einem Brunnen oder Tunnel, die aus dem Boden gehöhlt waren, nahm das Licht in der Tiefe nicht ab. Es schien sogar stärker
     zu werden: Bald schimmerten die weißen Treppenstufen wie Perlen.
    Zweitens brauchte die Wendeltreppe keine Wände. Nur wirbelnder, wabernder Nebel umgab sie. Je tiefer ich kam, umso verschlungener
     und verflochtener wurden die Nebelfinger. Manchmal kreisten sie um meine Beine oder um Rhias Locken. Dann wieder vereinigten
     und verdrehtensie sich zu seltsamen Gestalten, die ich nicht erkennen konnte.
    Der Nebel in diesem Schacht erinnerte mich an den Nebel um Fincayras Küsten. Er war weniger eine Grenze oder eine Sperre als
     ein lebendiger Stoff mit eigenen geheimnisvollen Rhythmen und Mustern. Elen hatte oft von den
Zwischenorten
wie dem Olymp, dem Y Wyddfa oder Fincayra gesprochen. Orte, die nicht ganz zu unserer Welt und nicht ganz zur Anderswelt gehören,
     sondern
dazwischen
sind. Wie dieser Nebel nicht wirklich Luft und nicht wirklich Wasser war, sondern etwas von beidem.
    Und ich dachte an den Tag, an dem sie mir auf dem Lehmboden unserer Hütte in Gwynedd zum ersten Mal Fincayra beschrieben hatte.
Einen Ort vieler Wunder
hatte sie es genannt.
Nicht ganz auf der Erde und nicht ganz im Himmel, sondern eine Brücke, die beide verbindet.
    Während ich tiefer in die Nebel ging und mit jedem Schritt der Anderswelt näher kam, fragte ich mich, was für eine Welt das
     sein mochte. Wenn Fincayra tatsächlich die Brücke war, wohin führte diese Brücke dann? Geister lebten dort, so viel wusste
     ich. Mächtige wie Dagda und Rhita Gawr. Aber was war mit den einfacheren, stilleren Geistern wie meinem mutigen Freund Verdruss?
     Teilten sie die gleichen Gefilde oder wohnten sie anderswo?
    Die Wendeltreppe, die sich endlos um sich selbst drehte, führte mich in die Tiefe. Der Gedanke kam mir, dass in dieser Welt
     kein Unterschied zwischen Tag und Nacht sein könnte. Ohne Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang, ohne den Mond am Himmel würde
     es schwierig sein, die Zeit zu bestimmen. Vielleicht gab es gar keine Zeit oder das, was ich Zeit nannte. Ich erinnerte michunbestimmt daran, dass Elen etwas über zwei Arten von Zeit gesagt hatte: historische Zeit, die in einer Linie verläuft, auf
     der die Sterblichen ihr Leben zu Ende gehen, und heilige

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