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Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Titel: Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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Merlin.«
    Wenn die turmhohen Klippen in diesem Moment eingestürzt wären und mich zerschmettert hätten, dann hätte mein Schmerz nicht
     größer sein können. Ich hatte meine einzige Schwester gefunden. Und sollte doch, wie so oft zuvor, verlieren, was ich gerade
     gefunden hatte.
    Tuatha, fiel mir ein, hatte mich gewarnt, dass die Prophezeiung über ein Kind mit Menschenblut eine unerwartete Bedeutung
     haben könnte.
Sie kann wahr sein und sie kann falsch sein. Aber selbst wenn sie wahr ist, hat die Wahrheit
oft mehr als ein Gesicht.
Wie konnte er nur gewusst haben, dass es Rhias Gesicht sein würde?
    »Warum«, fragte ich mit schwankender Stimme, »hast du es mir nicht früher erzählt?«
    »Ich wollte nicht . . . dass du deinen Kurs änderst . . . um mich zu schützen. Was du . . . mit deinem Leben machst . . .
     ist wichtig.«
    »Dein Leben ist genauso wichtig.«
    Ich warf den blutigen Lappen weg und riss ein neues Stück von meinem Ärmel. Noch als ich versuchte die Wunde abzuwischen,
     fiel mir eine Nacht vor langer Zeit in Cairprés Zimmer voller Bücher ein. Deshalb also hatte er so sonderbar gezögert mir
     die Geschichte meiner Geburt zu erzählen! Damals hatte ich vermutet, jetzt wusste ich, dass er nahe daran gewesen war, mir
     mehr zu erzählen. Dass in jener selben Nacht eine Schwester geboren worden war.
    Ich bettete Rhias Kopf in meinen Schoß und spürte ihren warmen Atem an meinem Arm. Ihre Lider waren fast geschlossen. Die
     Schatten auf ihrem Anzug wurden tiefer. Eine Träne rollte mir über die Wange, als ich sagte: »Wenn ich es nur hätte sehen
     können.«
    Ihre Lider flatterten. »Sehen? Redest du von . . . deinen Augen?«
    »Nein, nein.« Ich sah, wie das Blut von ihren braunen Locken tropfte. »Es geht nicht um meine Augen. Es geht um etwas anderes,
     etwas, das mein Herz die ganze Zeit gewusst hat. Dass du mehr bist als eine zufällige Begegnung im Drumawald. Mein Herz wusste
     das von Anfang an.«
    Die leichte Bewegung ihrer Lippen hätte ein Grinsensein können. »Selbst als ich dich . . . damals in den Baum . . . gehängt habe?«
    »Sogar da! Rhia, mein Herz konnte es sehen, aber mein Kopf verstand es einfach nicht. Ich sage dir, ich hätte mehr auf mein
     Herz achten sollen.
Das Herz kann sehen, was für das Auge unsichtbar ist.«
    Ein blauer Blitz leuchtete von den Felsen, wo Rhia meinen Stock gelassen hatte. Ohne nachzuschauen wusste ich, dass der Stock
     ein neues Zeichen in Form eines Auges trug. Denn ich hatte die Seele des Sehens entdeckt. Doch mein Gewinn verblasste im Vergleich
     zu meinem Verlust.
    Im selben Moment schimmerte die Luft nahe dem ausgestreckten Arm des gefallenen Ogers. Der unsichtbare Vorhang teilte sich
     und enthüllte einen niedrigen Kreis aus polierten weißen Steinen. Einen Schacht. Keinen Treppenschacht, der hinaufführte,
     sondern einen tiefen Schacht hinunter.
    Ich konnte ihn sehen! Und zugleich verstand ich zum ersten Mal, dass der Pfad zur Anderswelt – zum Himmel und auch zur Hölle
     – bedeutete hinunterzugehen, nicht hinauf. Hinunter in die tiefsten Tiefen, nicht hinauf irgendwo ins Universum, weit entfernt
     von mir.
    Der kalte Wind blies heulend über uns hinweg. Rhia sprach so leise, dass ich sie kaum hören konnte. »Du wirst . . . ein Zauberer
     sein, Merlin. Ein . . . guter.«
    Ich hob ihren Kopf an meine Brust. »Stirb nicht, Rhia. Stirb nicht.«
    Sie schauderte. Ihre Augen schlossen sich.
    Ich hielt sie fest und schluchzte leise.
    Dann, als würde der Tag in meinen Armen anbrechen, spürte ich die Gegenwart von etwas, das ich zuvor nichtbemerkt hatte. Etwas in Rhias Körper und zugleich getrennt davon. Es flutete durch meine Finger wie Licht. Ihr Geist. Er verließ
     ihren Körper auf seinem Weg in das Reich auf der anderen Seite. Blitzartig kam mir eine Idee.
    Ich rief ihren Geist an.
Bitte, Rhia. Verlass mich nicht. Noch nicht.
Ich zog ihren Kopf näher an mein Herz.
Komm mit mir. Bleib bei mir. Nur eine Weile.
    Ich schaute zu dem Kreis aus weißen Steinen, dem Eingang zur Anderswelt. Dem Weg zu Dagda. Selbst wenn es zu spät für ihn
     war, Elen zu retten, konnte er vielleicht – nur vielleicht – noch Rhia retten. Und wenn nicht, könnten wir wenigstens ein
     bisschen länger zusammen sein.
    Komm mit mir. Bitte.
    Ich holte tief Luft und atmete weit mehr als Luft ein. Und mit diesem Atemzug strömte ein mächtiges, neues Gefühl in mich.
     Es war lebenssprühend. Es war kraftvoll. Es war Rhia.
    Ich wandte mich an Bumbelwy,

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