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Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Titel: Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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Zeit, die sich im Kreis bewegt. Könnte die Anderswelt ein Ort der
     heiligen Zeit sein? Und wenn ja, bedeutete das, dass sich dort die Zeit um sich selbst drehte und in Kreisen verlief wie diese
     Wendeltreppe?
    Ich blieb stehen und tippte mit dem Fuß auf eine Stufe. Wenn es in dieser Welt eine andere Art Zeit gab, könnte es, wenn ich
     an die Oberfläche zurückkam – falls ich jemals zurückkam   –, zu spät sein, um Elen zu retten! Ich könnte leicht meine zwei restlichen Tage, ja Monate dort verbringen ohne es zu merken.
     Ich bog den Rücken und hob Rhia höher. Ihr Gewicht kam mir, wie das Gewicht meiner Aufgabe, schwerer vor denn je.
    Ich konnte nur versuchen Dagda so schnell wie möglich zu finden. Nicht zulassen, dass mich etwas aufhielt oder vom Kurs abbrachte.
     Ich ging weiter.
    Als ich tiefer kam, veränderte sich der Nebel. Statt nahe an den Stufen zu schweben wie beim Eingang zog er sich weiter zurück
     und gab Löcher mit ständig sich verwandelnden Gestalten frei. Es dauerte nicht lange, da weiteten sich die Löcher zu Kammern
     und die Kammern zu Höhlen. Mit jedem Schritt hinunter wurden die nebligen Ausblicke breiter, bis ich mich mitten in einer
     ungeheuer mannigfaltigen, ständig wechselnden Landschaft befand.
    Einer Landschaft aus Nebel.
    In dünnen Linien und bauschigen Hügeln, weiten Flächen und scharfen Spitzen wirbelte der Nebel um mich herum. An manchen Stellen
     begegnete ich Schluchten, die in wolkenähnliches Gelände schnitten und weiter und tieferführten, als ich ermessen konnte. An anderen sah ich Berge, die in der Ferne aufragten und höher oder tiefer oder beides zugleich
     wurden. Ich entdeckte neblige Täler, Hänge, Klippen und Höhlen. Überall bewegten sich Gestalten oder Halbgestalten, obwohl
     ich mir nicht sicher sein konnte, ob sie krochen oder gingen oder schwebten. Und zwischen allem wirbelte und waberte der Nebel,
     immer anders, immer gleich.
    Dann entdeckte ich, dass sich auch die Stufen verändert hatten. Sie waren nicht mehr gerade und fest wie Stein, sondern wellten
     sich und fluteten mit allem anderen um mich herum. Obwohl sie fest genug blieben, dass ich darauf stehen konnte, waren sie
     aus dem gleichen unbestimmten Stoff wie die Landschaft.
    Das unbehagliche Gefühl überkam mich, dass es in Wirklichkeit gar kein Nebel war, was mich umgab. Dass es noch nicht einmal
     etwas Physisches war aus Luft oder Wasser, sondern etwas . . . anderes, das aus Licht bestand oder aus Gedanken oder Gefühlen.
     Dieser Nebel enthüllte mehr, als er verbarg. Man würde viele Leben brauchen, um nur ein wenig von seiner wahren Natur zu verstehen.
    So war also die Anderswelt! Schicht um Schicht wechselnde, wandernde Welten. Ich konnte endlos tiefer auf der Treppe steigen,
     endlos nach außen gehen zwischen den Schwaden oder endlos in den Nebel hinein. Zeitlos. Grenzenlos. Endlos.
    Dann tauchte aus der wallenden Landschaft eine Gestalt auf.

XXXII
EIN GOLDENER ZWEIG
    K lein und grau erhob sich die Gestalt vom Gipfel eines entstehenden Bergs. Während ich sie betrachtete, breitete sie zwei neblige
     Flügel aus. Sie segelte auf einer Strömung auf mich zu, dann änderte sie plötzlich die Richtung und stieg so steil empor,
     dass ich sie fast aus den Augen verlor. Abrupt schwenkte sie ab und stürzte direkt herunter, bis sie eine Reihe von Schleifen
     und Kurven drehte, die keinen anderen Grund zu haben schienen als die reine Freude am Fliegen.
    Verdruss!
    Mein Herz machte einen Sprung, als ich den Falken wieder fliegen sah. Obwohl ich immer noch Rhia in den Armen trug, konnte
     ich den Lederbeutel an meiner Hüfte fühlen. Darin lag bei den Kräutern meiner Mutter eine gestreifte braune Feder aus einem
     Flügel von Verdruss. Nach seinem Kampf mit Rhita Gawr war sonst nichts von ihm geblieben. Nichts außer seinem Geist.
    Aus den Nebelschwaden kam er auf mich zugeflogen. Ich hörte seinen Schrei, so angriffslustig und energisch wie je zuvor. Ich
     sah, wie er auf mich herabstieß. Dann spürte ich einen warmen Windstoß und seine Klauen, die sich in meine linke Schulter
     krallten. Er faltete die Flügel auf dem Rücken und stolzierte auf meiner Schulter hin und her. Obwohl sein dunstiges, einst
     braunes Gefieder silbergrau geworden und weiß durchwachsen war, umrandeteimmer noch eine Spur von Gelb seine Augen. Er neigte den Kopf zu mir und zwitscherte zufrieden.
    »Ja, Verdruss! Ich bin auch glücklich dich zu sehen.« Dann verging dieser Glücksmoment, als ich den

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