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Merlin - Wie alles begann

Merlin - Wie alles begann

Titel: Merlin - Wie alles begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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Doch ich weiß genug
     über die alte Weisheit, um sicher zu sein, dass auch sie große Macht hat. Wäre die Hoffnung vermessen, dass sie gemeinsam
     existieren können, das Alte und das Neue? Dass sie einander stärken können? Denn auch wenn die Worte Jesu meine Seele berühren,
     kann ich die Worte anderer nicht vergessen. Die der Juden. Der Griechen. Der Druiden. Der anderen, die noch älter sind.«
    Ich betrachtete sie verzagt. »Du weißt so viel. Ich nicht.«
    »Da irrst du dich. Ich weiß wenig. So ungeheuer wenig.« Plötzlich lag ein schmerzlicher Ausdruck auf ihrem Gesicht. »Zum Beispiel
     . . . warum du mich nie
Mutter
nennst.«
    Ein Pfeil traf mein Herz. »Das ist, weil . . .«
    »Ja?«
    »Weil ich wirklich nicht glaube, dass du es bist.«
    Sie atmete hörbar ein. »Und glaubst du, dass dein richtiger Name Emrys ist?«
    »Nein.«
    »Oder mein richtiger Name Branwen?«
    »Nein.«
    Sie hob den Kopf. Lange schaute sie in das Stroh über unseren Köpfen, das vom Ruß zahlloser Herdfeuer geschwärzt war. Endlich
     sah sie mich wieder an.
    »Was meinen Namen betrifft, hast du Recht. Nachdem wir hier gelandet waren, nannte ich mich so nach einer alten Legende.«
    »Nach der, die du mir erzählt hast? Über Branwen, die Tochter von Llyr?«
    Sie nickte. »Du erinnerst dich? Dann erinnerst du dich auch, wie Branwen aus einem anderen Land kam, um jemanden in Irland
     zu heiraten. Ihr Leben begann mit grenzenloser Hoffnung und Schönheit.«
    »Und endete«, fuhr ich fort, »mit einer Tragödie. Ihre letzten Worte waren:
Ach, dass ich je geboren wurde.«
    Sie nahm meine Hand. »Aber das betrifft meinen Namen, nicht deinen. Mein Leben, nicht deines. Bitte glaub mir, was ich dir
     sage! Du heißt Emrys. Und ich bin deine Mutter.«
    Ein Schluchzen stieg in meine Kehle. »Wenn du wirklich meine Mutter bist, kannst du mir dann nicht sagen, wo meine Heimat
     liegt? Meine wahre Heimat, der Ort, an den ich wirklich gehöre?«
    »Nein, das kann ich nicht! Diese Erinnerungen sind zu schmerzlich für mich. Und zu gefährlich für dich.«
    »Wie kannst du dann erwarten, dass ich dir glaube?«
    »Hör mir zu, bitte. Ich sage es dir nur deshalb nicht, weil ich dich liebe! Du hast dein Gedächtnis aus gutem Grund verloren.
     Es ist ein Segen.«
    Ich schaute sie finster an. »Es ist ein Fluch!«
    Sie beobachtete mich, ihre Augen wurden trübe. Es kam mir vor, als wollte sie reden, mir sagen, was ich am meisten wissen
     wollte. Dann drückte sie meine Hand – nicht liebevoll, sondern ängstlich.

VI
FLAMMEN
    E ine Gestalt erschien in der Eingangsöffnung und ließ kein Licht mehr durch.
    Ich sprang von meinem Lager und stieß dabei
    Branwens Holzschüssel um. »Dinatius!«
    Mit seinem kräftigen Arm deutete er auf uns. »Kommt heraus, ihr beide.«
    »Nein.« Branwen stand auf und stellte sich neben mich.
    Dinatius’ graue Augen blitzten wütend. Er schrie über die Schulter: »Packt sie zuerst!«
    Er kam in die Hütte, zwei Jungen vom Dorfplatz folgten ihm. Lud war nicht dabei.
    Ich fasste Dinatius am Arm. Er schüttelte mich ab wie eine Fliege und warf mich rücklings auf den Tisch mit Branwens Utensilien
     und Heilmitteln. Löffel, Messer, Siebe und Schüsseln fielen zu Boden, als der Tisch unter meinem Gewicht zusammenbrach. Flüssigkeiten
     und Salben spritzten an die Lehmwände, während Samen und Blätter in die Luft flogen.
    Ich sah, wie Dinatius mit Branwen rang, sprang auf die Beine und stürzte mich auf ihn. Er drehte sich herum und schlug mich
     mit solcher Kraft, dass ich rückwärts an die Wand flog. Betäubt ging ich zu Boden.
    Als mein Kopf wieder klar war, merkte ich, dass ich allein in der Hütte war. Zuerst wusste ich nicht genau,was geschehen war. Dann hörte ich draußen Rufe und stolperte zum Eingang.
    Branwen lag zwanzig oder dreißig Schritte entfernt mitten auf dem Weg. Ihre Hände und Füße waren mit einem gespleißten Seil
     gefesselt. Ein Knebel aus Stoff, der aus ihrem Kleid gerissen war, sollte sie am Schreien hindern. Offenbar hatten die Händler
     und Dorfbewohner, die auf dem Platz ihrer Arbeit nachgingen, sie noch nicht bemerkt – oder sie wollten sich nicht einmischen.
    »Schaut sie nur an«, sagte lachend ein magerer Junge mit schmutzigem Gesicht und deutete auf die gefesselte Frau auf dem Weg.
     »Jetzt ist sie nicht mehr so zum Fürchten.«
    Sein Gefährte, der noch ein Stück Seil in der Hand hielt, lachte mit ihm. »Das geschieht der Dämonin recht!«
    Ich wollte Branwen zu Hilfe kommen, da

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