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Merlin - Wie alles begann

Merlin - Wie alles begann

Titel: Merlin - Wie alles begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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Zuhause. Meine Eltern. Und obwohl ich keine Ahnung hatte, wohin mich diese Reise führen oder wo sie enden könnte, wusste
     ich plötzlich, wo sie beginnen sollte.
    Am Meer. Ich musste zum Meer zurück. Zu der Stelle, wo ich vor über fünf Jahren an die felsige Küste getaumelt war.
    Vielleicht fand ich an diesem unwirtlichen Strand nichts als zerklüftete Felsen, kreischende Möwen und klatschende Wellen.
     Oder ich entdeckte den Hinweis, den ich suchte. Oder zumindest einen Hinweis auf den Hinweis. Eswar nicht viel, aber es war die einzige Hoffnung, die ich hatte.
    Stundenlang, so schien es mir, wanderte ich durch die Stadt, wobei ich versuchte die kleineren Nebenstraßen zu gehen, damit
     ich im Verkehr nicht niedergetrampelt wurde. Als ob ich die Grenzen meiner Sehkraft noch nicht kennen würde, strauchelte und
     stolperte ich so oft, dass meine Zehen in den Lederstiefeln schrecklich wehtaten. Trotzdem kam ich voran. Viele Leute hielten
     mich bestimmt – zu Recht – für einen linkischen Tölpel, aber ich bin überzeugt, keiner von ihnen erriet, dass meine Augen
     völlig nutzlos waren. Hin und wieder machte jemand eine mitleidige Bemerkung, aber sie galt meinen Narben, nicht meiner Blindheit.
    Endlich erreichte ich die Straße, die den Tywy entlangführte. Ich wusste, dass ich zu meinem alten Dorf zurückkommen würde,
     wenn ich ihr weit genug nach Norden folgte. Von dort würde ich den Weg zum Meer finden.
    Ich kam an die Stadtmauern, zehn Schritt dick und doppelt so hoch. Ich überquerte die breite Brücke und achtete darauf, dass
     ich nicht auf den unebenen Steinen stolperte. Dann ging ich durch das dahinter liegende bewaldete Tal.
    Während ich am Fluss entlangstapfte, konzentrierte ich mich auf jeden Schritt. Wenn ich abgelenkt wurde, auch nur kurz, landete
     ich am Boden, und das geschah ziemlich häufig. Einmal stürzte ich mitten auf einem Dorfplatz, wo ein Esel fast auf meinen
     Rücken trat.
    Trotzdem kam ich recht gut voran. Drei Tage lang wanderte ich so und ernährte mich von Himbeeren und Brombeeren zu dem Käse,
     den mir eine Nonne geschenkt hatte.Eines Tages in der Abenddämmerung half ich einem Schäfer, ein Lamm aus einer Grube zu ziehen und bekam zum Dank eine Brotkruste,
     aber das war mein einziger Kontakt mit anderen.
    Dann mündete die Straße in den alten Treidelpfad bei Caer Vedwyd. Kähne trieben den Fluss hinunter, an den Enten- und Schwanenfamilien
     vorbei. Als ich mich dem Dorf näherte, blieb ich im Schutz der Wälder auf gleicher Höhe mit dem Pfad, damit mich niemand sah.
     Gelegentlich aß ich Wurzeln, Beeren und Blätter. Einmal trank ich aus dem Bächlein unterhalb der großen Tanne, auf der ich
     im Sturm geritten war, und wünschte, ich wäre nie hinuntergestiegen. Auf seltsame Weise fühlte ich mich hier im verwilderten
     Wald mehr zu Hause als irgendwo sonst in Gwynedd.
    Später an diesem Nachmittag machte ich nicht weit von der Brücke in Caer Vedwyd Halt. Undeutlich sah ich eine große, aber
     verkrümmte Gestalt am anderen Ende der Brücke. Ich bemühte mich sie deutlicher zu erkennen, da schwoll der Wind um mich herum
     an. Es hätte ein verkrüppelter Baum sein können, nur hatte ich nie zuvor an dieser Stelle einen Baum gesehen. Ich wurde das
     Gefühl nicht los, dass es der gebeugte Körper eines Menschen war – eines Menschen, der nur Stummel statt Arme hatte.
    Ich hielt mich hier nicht auf. Trotz der Hindernisse legte ich eine gute Strecke durch den Wald zurück und umging auch die
     nächsten Dörfer. Als die Schatten länger wurden, ließ meine Sehkraft nach und ich kam langsamer voran. Schließlich, als von
     Menschen und Ansiedlungen nichts mehr zu sehen war, erreichte ich eine große Wiese. Erschöpft und zerschrammt suchte ich mir
     eine Muldeim weichen Gras und rollte mich zum Schlafen zusammen.
    Die Sonne auf meinem Gesicht weckte mich. Ich durchquerte die Wiese und kam dort wieder auf die Straße, wo sie vom Fluss abbog.
     Bis auf einen alten Mann, dessen schütterer weißer Bart beim Gehen auf seiner Brust wippte, traf ich auf dieser Strecke niemanden.
     Ich beobachtete den Alten und wünschte wieder, auch ich könnte mir einen Bart wachsen lassen, um die hässlichen Narben zu
     verstecken. Vielleicht eines Tages. Wenn ich so lange lebte.
    Obwohl es hier keine Ortschaften mehr gab, hatte ich keine Schwierigkeiten, den Weg zu finden: Meine Erinnerung daran war
     erstaunlich klar. Denn auch wenn ich diese Strecke nur einmal im Leben gegangen war,

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