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Merlin - Wie alles begann

Merlin - Wie alles begann

Titel: Merlin - Wie alles begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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Traum verwirklicht, dann zerrinnt er für immer. Man glaubt, man hat ein Zuhause
     gefunden, dann sieht man es davontreiben.
    Davontreiben.
Wider bessere Einsicht war ich plötzlich von einer Idee besessen. Einer tollen, hoffnungslosen, verrückten Idee.
    Ich würde mir ein Floß bauen. Vielleicht konnte mir gerade dieser Baum, der mir schon einmal beigestanden hatte, wieder helfen.
     Vielleicht konnte mich gerade diese Flut, die mich einmal ans Ufer getragen hatte, hinaus aufs Meer bringen. Ich würde ihnen
     vertrauen. Einfach vertrauen. Dem Baum. Der Flut.
    Ich hatte nichts zu verlieren außer meinem Leben.

XI
AUF SEE
    A us den abgebrochenen Ästen der alten Eiche und aus Rindenstreifen, mit denen ich sie zusammenband, baute ich mein Floß. Weil
     ich mich nur auf mein zweites Gesicht verlassen konnte, schätzte ich den Sitz der Äste und die Stärke der Knoten oft falsch
     ein. Aber Planke um Planke entstand mein Floß. In der Mitte brachte ich ein großes Stück Holz von der Höhlung des Baums an
     und hatte nun einen schalenförmigen Sitz für mich. Schließlich umwickelte ich die Kanten mit einigen langen Tangsträngen,
     die ich zwischen den Felsen gefunden hatte.
    Als ich fertig war, ging die Sonne gerade unter. Ich schleppte das dürftige Fahrzeug an den Rand der Wellen. Bevor ich abstieß,
     lief ich aus einer Laune heraus zurück zu der Flutlache, auf der die Seemuschel trieb. Ich holte sie heraus und warf sie in
     den Sand, damit der Krebs sein Haus wieder finden konnte.
    Möwen kreischten, vor Lachen, schien es mir, als ich in die kalten Wellen watete. Bevor ich auf mein Gefährt kletterte, zögerte
     ich. Widerstreitende Welten zerrten an mir. Ich stand genau auf der Grenze – von Land und Meer, von Vergangenheit und Zukunft.
     Einen Augenblick geriet mein Entschluss ins Wanken. Wasser schlug an meine Schenkel, das gleiche Wasser, das mich zuvor fast
     ertränkt hatte. Vielleicht handelte ich zu übereilt. Vielleicht sollteich an die Küste zurück und mir einen besseren Plan ausdenken.
    In diesem Moment bemerkte ich einen goldenen Glanz auf den Resten des alten Baums. Die untergehende Sonne hatte den Stamm
     getroffen und rahmte ihn in Feuer. Er erinnerte mich an einen anderen brennenden Baum, einen Baum, dessen Flammen immer noch
     in mir brannten. Und ich wusste, dass ich die Antworten auf meine Fragen suchen musste.
    Ich schwang mich auf das Floß, setzte mich in den Schalensitz und kreuzte die Beine. Noch einmal schaute ich zu den schwarzen
     Klippen zurück, dann wandte ich mich vom Ufer ab. Ich tauchte die Hände in das kühle Wasser und paddelte, bis meine Arme zu
     müde waren. Die verblassende Sonne wärmte immer noch meine nasse Haut und ließ das Wasser in viel mehr Farben funkeln, als
     ich entdecken konnte. Aber obwohl ich es nicht wirklich sah, ahnte ich das Netz aus rosa und goldenem Licht, das direkt unter
     den Wellen tanzte.
    Während die Ebbe mich weiter von der Küste wegtrug, blies mir ein Wind in den Rücken. Wohin das Meer mich tragen würde, wusste
     ich nicht. Ich konnte nur vertrauen.
    Ich dachte an die alten Seefahrer wie Bran den Gesegneten, Odysseus und Jonas, deren Geschichten ich von Branwen gehört hatte.
     Und ich fragte mich, ob irgendjemand außer Branwen sich je für meine eigene Seefahrt interessieren würde. Ich wünschte, ich
     könnte sie eines Tages Branwen beschreiben. Aber im Herzen wusste ich, dass ich sie nie wieder sehen würde.
    Eine schwarzköpfige Möwe strich vorbei und streifte auf der Suche nach ihrem Abendessen die Oberfläche derWellen. Mit einem lauten Schrei steuerte sie auf das Floß zu und ließ sich auf einem Tangstrang nieder, der an der Seite herunterhing.
     Sie schlug den Schnabel in einen grünen Wedel und zog und zerrte heftig daran.
    »Weg!« Ich scheuchte sie mit der Hand. Das fehlte gerade noch, dass ein hungriger Vogel mein kleines Fahrzeug auseinander
     riss.
    Die Möwe ließ den Tang fallen, stieg kreischend auf und kreiste dann über dem Floß. Nach ein paar Sekunden landete sie wieder
     – diesmal auf meinem Knie. Das Vogelauge, so gelb wie die Sonne, musterte mich. Schließlich kam sie zu dem Schluss, dass ich
     zu groß (oder zu zäh) für eine leichte Mahlzeit war, legte den Kopf schief und flog davon, der Küste zu.
    Gähnend schaute ich der Möwe nach. Das ständige Wiegen der Wellen machte mich schläfrig, umso mehr als ich von meiner tagelangen
     Wanderung aus Caer Myrddin erschöpft war. Doch wie sollte ich schlafen?

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