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Merlin - Wie alles begann

Merlin - Wie alles begann

Titel: Merlin - Wie alles begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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mitten auf den Hof, weit weg von irgendwelchen Fackeln. Tief am nördlichen Horizont
     funkelte ein zweiter Stern. In der nächsten Nacht waren es drei weitere. Dann fünf. Acht. Zwölf.
    Branwen kam am folgenden Abend mit mir in den Hof. Nebeneinander lagen wir auf den Steinen. Mit einer Handbewegung deutete
     sie auf das Sternbild des Pegasus. Dann erzählte sie mir langsam und rhythmisch die Geschichte des großen geflügelten Pferdes.
    Danach lagen Branwen und ich jeden Abend, wenn Wolken den Himmel nicht völlig bedeckten, dort unter dem dunklen Gewölbe. So
     gern ich auch in den Handschriften des Klosters las, die Manuskripte des Himmels faszinierten mich noch mehr. Mit Branwen
     als Führerin verbrachte ich die Abende in der Gesellschaft von Cygnus, Aquarius und Ursa, also von Schwan, Wassermann und
     Bär – seine Klauen kratzten mehrmals über meinen Rücken. Ich erprobte die Segel des Sternbilds Vela, schwamm mit den Pisces,
     den Fischen, marschierte neben Herkules.
    Während ich so die Sterne kennen lernte, stellte ich mir manchmal vor, der ganze Himmel würde zu einem fantastischen Cape
     schrumpfen. Blitzschnell würde ich es mir umlegen. Tiefblau, mit Sternen besetzt, fiel das Cape über meinen Rücken und funkelte
     bei jeder Bewegung. Die Sterne ritten auf meinen Schultern. Die Planeten bildeten einen Ring um meine Taille. Wie gern würde
     ich eines Tages einen solchen Umhang besitzen!
    Doch selbst wenn ich mich am Nachthimmel freute,konnte ich nicht vergessen, wie viel mir verborgen blieb. Die Wolken verdunkelten ein paar Sterne; meine verhangene Sicht
     verdunkelte noch mehr. Dennoch überwog die Begeisterung an allem, was ich sehen konnte, bei weitem die Verzweiflung über das,
     was im Dunkeln blieb. Trotz der Wolken waren mir die Sterne noch nie so strahlend vorgekommen.
    Und doch . . . in mir blieb eine dunkle Stelle, die selbst das Sternenlicht nicht erreichen konnte. Die Geister meiner Vergangenheit
     hörten nicht auf mich zu verfolgen. Besonders, was ich Dinatius angetan hatte. Immer noch hörte ich ihn schreien, immer noch
     sah ich das Entsetzen in seinen Augen, spürte die verkrümmten und nutzlosen Reste seiner Arme. Als ich Branwen fragte, ob
     er überlebt habe, konnte sie es mir nicht sagen. Sie wusste nur, dass er noch in Lebensgefahr schwebte, als wir das Dorf verlassen
     hatten. Doch eins war klar: Er hatte zwar genug getan, um meinen Zorn herauszufordern, aber seine Brutalität machte meine
     eigene nicht geringer.
    Darüber hinaus plagte mich etwas anderes, etwas Tieferes als Schuld. Angst. Vor mir und meinen schrecklichen Kräften. Allein
     der Gedanke an sie ließ vor mir eine Feuerwand auflodern, die meine Seele versengte. Wenn ich nicht die Stärke aufbrachte,
     mein Versprechen zu halten, würde dann ich diese Kräfte benutzen oder sie mich? Wenn ich, von rasendem Zorn gepackt, mit solcher
     Leichtigkeit einen Menschen und einen Baum zerstören konnte, was könnte ich dann eines Tages noch vernichten? Könnte ich mich
     selbst völlig auslöschen, wie ich es mit meinen Augen getan hatte?
    Was für ein Geschöpf bin ich eigentlich?
Vielleicht hatteDinatius doch Recht gehabt. Vielleicht floss wirklich das Blut eines Dämons in meinen Adern, so dass jeden Augenblick entsetzliche
     Magie aus mir hervorbrechen konnte, einer grässlichen Riesenschlange gleich, die aus den tiefsten Tiefen des Meeres steigt.
    Und deshalb war ich selbst im neuen Glanz meiner Tage vom Dunkel meiner Ängste gemartert. Im Lauf der Wochen steigerte sich
     meine Lebenskraft wie mein Sehvermögen. Doch auch meine Beklommenheit nahm zu. Tief im Herzen wusste ich, dass ich meine Ängste
     nie loswerden würde – bis ich erfuhr, wer ich wirklich war.
    Eines Nachmittags hörte ich einen neuen Klang vor dem Fenster unserer Zelle. Neugierig trat ich näher. Ich konzentrierte mich
     auf mein zweites Gesicht und fand den Urheber der Töne in den Ästen des Weißdorns. Eine Zeit lang beobachtete ich ihn und
     hörte ihm zu. Dann drehte ich mich nach Branwen um, die an ihrem gewohnten Platz auf dem Boden neben meinem Lager saß und
     Kräuter zerrieb.
    »Der Kuckuck hat im Weißdorn genistet.«
    Ich sagte es bestimmt und traurig zugleich und Branwen ließ Mörser und Stößel sinken. »Es ist ein Weibchen. Ich habe sie beobachtet
     und gesehen, wie sie jeden Tag auf dem Nest saß. Sie hat ihr einziges Ei dort gelegt und vor Feinden beschützt. Und jetzt
     ist das Ei ausgebrütet. Der junge Vogel ist aus der

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