Merlin - Wie alles begann
wie der tapfere Falke,
ihr Leben für mich gegeben. Solche Freundschaft verdiente ich nicht. Sie war so voller Leben, voller Weisheit, die ich noch
nicht einmal begonnen hatte zu begreifen. Der Schmerz um sie brannte in meinem Herzen, als stünde es in Flammen.
Plötzlich merkte ich, dass der Galator heiß an meinerBrust glühte. Ich zerrte ihn aus der Tunika und hielt ihn hoch. Die juwelenbesetzte Mitte funkelte mit ihrem eigenen grünen
Licht und vertrieb gerade so viel Dunkelheit, dass ich meine eigene Hand und den Arm sehen konnte.
Die gespenstischen Lichter taumelten und kamen nicht näher. Das Jammern verstummte. Ein frischer Hauch wehte durch die Luft.
Zugleich dehnte sich das Leuchten des Galators aus. Nach ein paar Sekunden beleuchtete der grüne Kreis meinen ganzen Körper
und meinen Stock.
»Shim! Wo bist du?«
»Hier!« Schlammbedeckt taumelte er zu mir. Von Brust, Beinen, Armen und einer Seite seines Gesichts tropfte schwarzer Schlick.
Während der leuchtende Kreis größer wurde, schwankten die schwebenden Lichter, dann zogen sie sich langsam in die Dunkelheit
zurück. Das Wehklagen begann wieder, doch verwandelte es sich in wütendes Gemurmel.
Vom Rückzug der Lichter ermutigt ging ich weiter. Ich würde irgendeinen Weg aus diesem Moor finden, so schwierig es auch sein
mochte.
Mit einer Hand hielt ich den Galator hoch, mit der anderen umklammerte ich den Stock und Shim hielt sich an meiner Tunika
fest. So stapften wir durch die sumpfigen Pfützen. Der Schlamm war weich und klebrig, er saugte sich an meinen Stiefeln fest.
Plötzlich trat ich in eine flache Grube. Ich fiel vornüber und hätte fast den Anhänger fallen lassen. Sofort kamen die Augen
der Lichter näher und das Gemurmel schwoll an.
Als ich das Gleichgewicht wieder gefunden hatte, zogen sich die bedrohlichen Lichter etwas zurück. Ich brauchte einen Moment,
bis ich den Stock aus dem gierigenSchlamm in der Grube gezogen hatte, schließlich kam er mit lautem Schmatzen frei. Wir schleppten uns weiter. Ich merkte jedoch,
dass Shim in diesem Gelände nicht sehr weit kam. Er gab sich zwar alle Mühe, neben mir zu bleiben, aber das Wasser reichte
ihm bis zur Taille, und die Anstrengung, sich durchzukämpfen, ermüdete ihn schnell.
Meine eigenen Beine und der Arm, der den Galator hielt, fühlten sich immer schwerer an. Dennoch half ich Shim, an der Seite,
auf der ich den Stock hielt, auf meine Schulter zu steigen. Diesen Platz hatte Verdruss einst für sich in Anspruch genommen.
Aber die Last, die ich jetzt trug, kam mir viel schwerer vor als der Falke.
Jeder Schritt wurde schwieriger, jeder Atemzug mühsamer. Ich fühlte mich zunehmend schwächer, als ob das Moor die Kraft aus
mir saugen würde. Meine Schulter schmerzte. Der Schlamm von Shims Beinen tropfte mir aufs Gesicht, während der ranzige Geschmack
auf meiner Zunge brannte.
Als meine Ausdauer nachließ, kamen die Lichter wieder näher. Das Gemurmel schwoll an, bis es klang, als würde ein Rudel Wölfe
in meine Ohren heulen. Das Moor schien endlos zu sein, es dehnte sich bis weit über die Grenzen meines erlahmenden Durchhaltevermögens.
Meine Kräfte! Sollte ich versuchen sie zu nutzen? Ich brauchte sie so sehr. Doch ich fürchtete sie so sehr. In meiner Erinnerung
loderten wieder die Flammen, leckten an meinem Gesicht, versengten mein Fleisch, zerstörten meine Augen.
Plötzlich strauchelte ich, fiel auf die Knie und konnte gerade noch meinen Stock und den Galator festhalten.Shim stieß einen Schrei aus und umklammerte schluchzend meinen Hals. Erneut drängten sich die Lichter um uns und warteten
ab, ob ich wieder aufstehen würde.
Mit letzter Kraft stemmte ich mich aus dem Schlamm. Ich versuchte den Galator hochzuhalten, brachte ihn aber nur bis zur Brust.
Erschöpft machte ich einen weiteren Schritt – und stolperte wieder.
Ich hörte, wie der Galator gegen etwas Hartes wie Stein schlug. Ich hörte Shim schreien, während das Gemurmel fast betäubend
wurde.
Dann hörte ich nichts mehr.
XXXII
DUNKLES SCHICKSAL
S ein du am Leben?«
»Weiß nicht«, war alles, was ich sagen konnte. Ich setzte mich auf und scheuchte den Nebel von meinem zweiten Gesicht. Shim
saß neben mir, mein Stock, mit ranzig riechendem Schlamm bedeckt, lag auf der anderen Seite.
Shim hatte das kleine Gesicht in besorgte Falten gelegt. Er zupfte an meiner Tunika. »Wo sein wir?«
Ich betrachtete unsere Umgebung und stellte fest, dass ich in dem
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