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Merlin - Wie alles begann

Merlin - Wie alles begann

Titel: Merlin - Wie alles begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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schließlich in Dolche. Als die eisigen Klingen auf uns herabregneten,
     wimmerte Shim, der sich seit unserem Aufbruch vom Garten nicht mehr beschwert hatte, Mitleid erregend. Aber ich konnte ihn
     nur in den Pausen zwischen den Böen hören, denn der Wind heulte immer lauter.
    Obwohl es hell genug für mein zweites Gesicht blieb, verwirrten die aufgewirbelte Erde und der Eisregen meinenRichtungssinn. Plötzlich stolperte ich gegen eine niedrige, flache Erhebung, die ich nicht einordnen konnte. Mit einem Schrei
     fiel ich zu Boden und ließ meinen Stock fallen.
    Zitternd kroch ich über das Hindernis und hoffte, dass es uns ein wenig Schutz gegen den Sturm bieten könnte. Shim versteckte
     sich in den Falten meiner Tunika. Zähneklappernd vor Kälte saßen wir hier einige Minuten lang, die uns wie Wochen vorkamen.
    Allmählich flaute der Eissturm ab. Der heulende Wind warf sich noch ein paar Mal gegen uns, dann legte er sich endgültig.
     Obwohl die Luft nicht wärmer wurde, erholten wir uns langsam. Ich öffnete und schloss die Hände, Handflächen und Fingerspitzen
     brannten. Zögernd steckte Shim den Kopf aus meiner Tunika, seine widerspenstigen Haare waren voller Eiszapfen.
    Plötzlich merkte ich, dass die Erhebung, die uns teilweise geschützt hatte, nichts anderes war als ein riesiger Baumstumpf.
     Rundum waren die Hügel mit Tausenden solcher Strünke übersät, die ein weites Netz ausgewaschener Gräben voneinander trennte.
     Obwohl sie mit Eisglasur überzogen waren, glitzerten oder schimmerten die Stümpfe nicht. Sie saßen so leblos da wie Grabhügel.
    Mit einem Mal verstand ich: Das war alles, was von dem großen Wald geblieben war, den T’eilean beschrieben hatte.
Stangmars Soldaten haben den Tod übers Land gesät.
Die Worte des alten Mannes stiegen wie Geister aus den modernden Strünken, der blutroten Erde, den zerklüfteten Hügeln.
    Shim und ich schauten einander an. Wortlos standenwir von dem vereisten Boden auf. Ich nahm meinen Stock und schlug einen Eisbrocken von der Spitze. Dann suchte ich wieder
     den Einschnitt zwischen den Hügeln, trat über die brüchigen Reste eines Astes und begann den Aufsteig auf dem eisglatten Gelände.
     Shim brummte vor sich hin, während er sich anstrengte neben mir zu bleiben.
    Im Lauf des Tages stiegen wir immer weiter, über Hügel, die von unzähligen Strünken und trockenen Bachbetten wie von Narben
     bedeckt waren. Bald wurde der Einschnitt von der zunehmenden Dunkelheit verschluckt und verschwand. Ich konnte mich nur auf
     die Erinnerung daran verlassen, wo ich zuletzt die beiden spitzen Höcker zu seinen Seiten gesehen hatte, obwohl auch diese
     Erinnerung mit dem Licht verblasste.
    Langsam gewannen wir an Höhe. Trotz der Düsternis entdeckte ich zwischen den Stümpfen und toten Ästen ein paar dünne Bäume.
     Mit ihren verdrehten Formen glichen sie Menschen, die sich im Schmerz winden. Als ich die Buchenrinde an einem Baum erkannte,
     ging ich näher. Ich legte die Hand auf den Stamm und stieß den zischenden, raschelnden Laut aus, den Rhia mir im Drumawald
     beigebracht hatte.
    Der Baum antwortete nicht.
    Ich versuchte es erneut. Diesmal stellte ich mir dabei die lebendige, atmende Gegenwart eines gesunden Baumes vor. Seine mächtigen
     Wurzeln schoben sich in die Erde. Die gebogenen Äste hoben sich zum Himmel. Sein dunkles Lied stieg durch den Stamm empor
     und erregte jedes einzelne Blatt.
    Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber mir war, als könnte ich den Anflug eines Bebens in den äußerstenZweigen spüren. Doch wenn sie sich tatsächlich geregt hatten, waren sie rasch wieder ruhig.
    Ich gab auf und stapfte weiter. Shim schnaufte hinter mir. Je höher wir den Hang hinaufstiegen, umso steiniger wurde der Boden.
     Mit jeder Minute schwand das Licht. Der Himmel wurde schwarz, die Strünke und Felsen um uns herum verschmolzen mit den Schatten.
    Obwohl mein zweites Gesicht schnell schwächer wurde, klammerte ich mich an alles, was ich noch erkennen konnte. Und ich horchte
     mit angestrengter Konzentration. Ich wusste, dass jede Bewegung, und sei sie noch so schwach, unsere einzige Warnung vor einem
     Angriff sein könnte. Und während ich mich bemühte nicht über Steine und knackende dürre Zweige zu stolpern, wurden meine Schritte
     immer unsicherer.
    Vor uns erkannte ich eine kaum sichtbare Lücke zwischen Zwillingshöckern aus schwarzem Fels, die in den noch dunkleren Himmel
     ragten. Könnte das der Einschnitt sein? So leise wie möglich

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