Merlin - Wie alles begann
krumme Zähne.
»Und wer bist du?«
Ich seufzte. »Die Wahrheit ist, dass ich mir darüber nicht klar bin.«
»Wenigstens bist du ehrlich, mein Schatz.« Wir wurden weiter umkreist, die nackten Füße klatschten auf den Steinboden. »Vielleicht
kann ich dir ein bisschen darüber erzählen, wer du bist. Obwohl ich dich warnen sollte, es ist ziemlich enttäuschend. Als
Vorspeise bist du zu mager, um mehr als einen Bissen oder zwei abzugeben, selbst wenn man deinen kleinen Freund dazunimmt.«
Shim drückte mein Bein fester.
»Noch schlimmer, mein Schatz, du siehst viel zu schwach aus, als dass du mir bei meiner Wette helfen könntest. Und ich hasse
es,
so
zu verlieren.«
Ein eisiger Finger strich über mein Rückgrat. »Ich weiß, wer du bist. Du bist Domnu.«
»Sehr klug, mein Schatz.« Die haarlose Hexe hörte auf im Kreis herumzugehen. Sie fuhr sich nachdenklich mit der Hand über
den Kopf. »Aber Klugheit reicht nicht, um meine Wette zu gewinnen.«
»Von welcher Wette redest du?«
»Ach, nichts Wichtiges. Ich habe nur eine kleine Wette mit jemandem abgeschlossen, der damit rechnet, dass ihr nicht bis morgen
überlebt.« Sie zuckte die Schultern. »Sterbt heute. Sterbt morgen. Was macht das schon aus? Ich hätte nicht auf euch wetten
sollen, aber ich konnte nicht widerstehen, die Chancen standen so hoch.«
Ich schauderte, als ich daran dachte, was Cairpré über dieses Wesen gesagt hatte, dessen Name dunkles Schicksal bedeutet.
Weder gut noch böse, weder Freundin noch Feindin. Sie ist einfach.
»Gegen wen hast du gewettet?«
Domnus nackte Füße klatschten über den Steinboden, als sie zur Wand mit den merkwürdigen Zeichen ging, die immer noch in dem
unruhigen Licht zitterten. Sie spuckte auf den linken Zeigefinger, der sofort blau wurde. Dann benutzte sie den Finger als
Pinsel, streckte sich, so hoch sie konnte, und zog eine schnörkelige Linie durch einen der Kreise.
»Es wird Zeit für eine neue Wand«, brummte sie dabei. Mit einem Blick in unsere Richtung sagte sie: »Ich muss den Spielstand
notieren, ihr Schätzchen. Ich hasse es, eine Wette zu verlieren, aber ich muss den Spielstand notieren. Und es sieht zweifellos
so aus, als würde ich diese verlieren.«
»Du meinen«, piepste Shim, »dass wir sterben?«
Domnu zuckte wieder die Schultern. »Es sieht jedenfalls so aus.«
Ich fragte: »Gegen wen hast du gewettet?«
»Niemand, den du kennst. Obwohl er eine echte Abneigung gegen dich entwickelt zu haben scheint.«
»Wer?«
Sie kratzte sich am kahlen Hinterkopf. »Dieser Narr Rhita Gawr natürlich.«
»Rhita Gawr? Der Geist, der Dagda bekämpft?«
Domnu brummte gleichgültig: »Kann sein. Jedenfalls war es so vor ein paar Tausend Jahren, als ich mich das letzte Mal darum
gekümmert habe. Aber wer da gewinnt und wer verliert, mein Schatz, davon habe ich keine Ahnung. Sie führen offenbar ihre eigenen
Strichlisten.«
»Aber das ist kein Spiel! Es ist ernst.«
Domnu richtete sich auf. »Spiele
sind
ernst, mein Schatz. So ernst wie das Leben selbst, denn das ist auch nur ein Spiel.«
»Du verstehst nicht, was ich meine.« Ich trat näher, Shim klammerte sich immer noch an mein Bein. »Bei ihrem Kampf geht es
um ganz Fincayra. Und um die Erde. Und mehr.«
»Ja, ja«, sagte die Hexe gähnend. »Sie haben eine Dauerwette.«
»Nein! Es ist mehr als das.«
Sie starrte mich verblüfft an. »Mehr als das? Wie kann irgendwas mehr als das sein? Eine Wette ist die klarste Entscheidung,
die man sich vorstellen kann! Du triffst deine Wahl, gibst deinen Einsatz. Dann geschieht, was geschieht. Rauf oder runter.
Leben oder Tod. Es kommt nicht darauf an, solange du am Ende deinen Gewinn einstreichst.«
Ich schüttelte den Kopf. »Es
kommt
darauf an. Ob Dagda oder Rhita Gawr gewinnt, entscheidet . . .«
»Wie die Chancen bei ihrer nächsten Wette stehen. Ja, ich weiß.«
Domnus Füße patschten über den Teppich mit denroten und weißen Quadraten. Sie bückte sich zu einer Figur, einem roten Drachen. Lässig kitzelte sie ihn unter dem schuppigen
Kinn. In dem flackernden Licht war ich mir nicht sicher, aber es sah fast so aus, als würde der Drache leicht den Kopf bewegen
und zwei dünne Rauchfahnen aus den Nüstern blasen.
»Ihr kleines Spiel interessiert mich nicht«, schloss Domnu, während sie den Drachen ins Ohr kniff. »Ich habe genug damit zu
tun, bei meinem eigenen auf dem Laufenden zu bleiben.«
Shim umfasste mein Bein fester. »Ich haben Angst. Große,
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