Merlins Drache 01 - Basilgarrad
größer war als er, griff er es wütend an. Doch alle Kräfte von Basil, vom Zauberer waren dem fledermausähnlichen Ungeheuer nicht gewachsen. Seine mächtigen Flügel, die an den Gelenken hingen, falteten sich über die beiden … drückten auf sie … bedeckten sie völlig.
Merlins Kampfkraft erlahmte. Er stöhnte wie jemand, dessen Leben schwindet. Der Zauberer wand sich wie Basil. Doch während die tödlichen Flügel fester drückten, wurden die Bewegungen der Gefangenen langsamer. Basil spürte, wie die Hand des Zauberers sein Ohr streifte. Dann wurde die Hand mit plötzlicher Endgültigkeit schlaff. Der Zauberer lag still.
»Nein, bitte!«, rief Basil. »Hör nicht auf. Stirb nicht!«
Der Zauberer regte sich wieder – und schauerte zum letzten Mal.
»Wach auf!«, schrie Basil und schlug mit dem Kopf an Merlins Brust. Hart hieb er darauf, einmal, zweimal, dreimal.
Und dann wachte Basil auf. Er lag nicht auf dem sterbenden Zauberer, sondern auf dem Tannenast. Statt seinen Kopf an Merlins Brust zu schlagen, hatte er ihn auf den Ast gehauen, deshalb taten ihm die Kiefer weh – und Rindenflocken schwebten zu Boden, sie schimmerten im Sternenlicht.
Betrübt und benommen lag der Salamander auf dem Ast und keuchte vor Erschöpfung.
Der Traum! So wirklich … so wahr.
Er schüttelte sich, doch in seinem Kopf schien sich noch alles zu drehen.
Was für ein Geschöpf hatte Merlin angegriffen? Und warum? Diese riesigen, gezackten Flügel – mehr wie die einer Fledermaus als eines Drachen, doch viel bedrohlicher als beide. Welches Geschöpf hatte solche Flügel?
Noch mehr Fragen quälten ihn. Was bedeutete dieser Traum – oder diese Vision – wirklich? Kehrte Merlin tatsächlich nach Avalon zurück? War er schon hier? Dann wurden Basils Gedanken düsterer: Könnte der Traum Merlins Tod andeuten? Würde den Magier ein schreckliches Schicksal erwarten, wenn er zurückkam? Und warum hatte gerade Basil diesen Traum gehabt?
Alle diese Fragen prasselten auf den Salamander ein. Sie stiegen aus der Finsternis und stürzten sich auf ihn, fast wie dieses Geschöpf mit den fledermausähnlichen Flügeln sich auf Merlin gestürzt hatte. Dannzogen sie sich unbeantwortet zurück, griffen aber gleich wieder an.
Er knirschte besorgt mit den Zähnen. Denn es gab eine weitere Frage, beängstigender als alle anderen, die ihn nicht losließ. So sehr er sich auch bemühte, er konnte sie nicht vertreiben – und sie nicht beantworten. War dieses gefährliche Geschöpf draußen in der Wildnis, würde Basil ihm in Zukunft gegenüberstehen müssen? Oder war es … Basil
selbst?
Nachdenklich starrte er in die Finsternis. Gerade da sah er aus den Augenwinkeln ein schattiges Wesen – lang und biegsam, das auf dem Ast zu ihm glitt. Eine Schlange! Diesmal war das, was er sah, kein Traum. Diese Schlange war wirklich – so wirklich wie der tödliche Glanz in ihren Augen.
Basil erstarrte. Was konnte er tun? Wohin konnte er fliehen? Diese Schlange, fast so dick wie der Ast, versperrte ihm den Weg zum Stamm. Als sie seine Wachsamkeit spürte, eilte sie auf ihn zu, schon öffnete sie das Maul. Sternenlicht beleuchtete ein Paar gebogene Fänge. Sekundenschnell erkannte Basil, dass diese Fänge ihn schnappen würden.
Die Schlange glitt näher. Noch näher. Basil beobachtete sie entsetzt, sein ganzer Körper war starr bis auf sein wild hämmerndes Herz. Ein lautes Zischen scholl durch die Nacht – und die Schlange biss kräftig zu.
Doch sie schloss die Kiefer über leerer Luft. Denn Basil tat im allerletzten Moment das Unvorstellbare: Er sprang von dem Ast...
...und flog. Von dem plötzlichen Luftstoß geöffnet, entfalteten sich seine Flügel. Sie breiteten sich aus und hielten seinen fallenden Körper. Verstärkt durch Knochen und Sehnen – die in Basils Schlaf so schmerzhaft angeschwollen waren – zeigten die Flügel endlich, was sie konnten.
Fliegen!,
dachte Basil und spürte erstaunt, dass er auf der Luft ritt, die an seiner Schnauze vorbeiströmte und seine Ohren flach legte. Langsam glitt er hinunter, bog um einen Zedernast, segelte dann so nahe an einem jungen Eichhörnchen vorbei, dass er fast die weichen Barthaare des Tieres ablecken konnte. Er fühlte sich frei – sogar anmutig.
Was nicht heißen soll, dass er wusste, wie man lenkt – und schon gar nicht, wie man landete. Noch fassungslos vom doppelten Schock, einer Schlange zu entfliehen und zu fliegen, konnte er sich jenseits dieser neuen Erfahrung auf nichts
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