Merlins Drache 03 - Die Schlacht der endlosen Feuer
sagte er: »An eurer Stelle würde ich die Augen schließen.« Dann wandte er sich wieder seinem Stab zu und erteilte einen einfachen Befehl:
»Jetzt.«
In einem unmittelbaren Blitz schossen Tausende dünner Lichtstrahlen aus dem Stab.
Ssssaaapp!
Wie ein explodierender Stern brach das Licht heraus – und jeder einzelne Strahl war auf einen der Egel droben gerichtet.
Von den Lichtstrahlen durchbohrt, starben die Egel sofort. Ihr schwirrender Lärm hörte abrupt auf. Was sie auch an primitiver Intelligenz gehabt haben |99| mochten, welchen Hass sie womöglich gegen den Feind ihres Meisters genährt hatten – all das verschwand. Sie fielen vom Himmel wie schrecklicher, albtraumartiger Regen. Die leblosen Körper stürzten auf Wälder und Wiesen, machten beim Aufprall ein knirschendes Geräusch und übersäten den Boden mit ihren dunklen Überresten.
Einen langen Moment gab keiner einen Laut von sich. Die Welt wurde still. Dann kam eine sanfte Brise auf, ließ die Blätter der Bäume rascheln und trug den ranzigen Geruch davon. Und dann brachen alle Überlebenden zugleich in Jubel aus. Sie erhoben die Stimmen zu Rufen, Lachen, Schreien, Zwitschern, Heulen und – im Fall von Basilgarrad und Marnya – hallendem Gebrüll.
Jubel stieg vom Schlachtfeld auf. Soldaten hoben die Arme zum Himmel und riefen von ganzem Herzen Hurra. Männer und Frauen umarmten sich, Elfen tanzten, Zwerge folgten Urnalda und machten fröhliche Ringeltänze um ihre Äxte. Selbst die überlebenden Bären rollten ausgelassen im Gras herum, kickten mit den stämmigen Beinen in die Luft und wedelten mit den Tatzen. Und in einem Baum auf der anderen Seite des Schlachtfelds jauchzte ein kleiner Drache entzückt, breitete die Flügel aus und flog herüber, um näher bei Basilgarrad zu sein.
Merlin gestattete sich ein befriedigtes Grinsen. Mit den Handflächen tätschelte er die Spitze seines Stabs. Leise sagte er: »Gut gemacht, alter Freund.«
|100| Dann hob er den Kopf und erwiderte Basilgarrads Blick. Zum ersten Mal in vielen Jahren vernahm jeder die Gedanken des anderen.
Gute Arbeit,
lobte der Drache und neigte die Ohren zum Zauberer.
Aber du hast auch lange genug gebraucht, hierherzukommen.
Ja, nun, ich hatte unterwegs auch ein paar Ablenkungen. Ein junger und eigenwilliger König wanderte davon, um den Heiligen Gral zu finden, eine Palastrevolte und eine Magierin, die versuchte, mich in einer Höhle zu fangen – die üblichen Sachen. Nichts Besonderes.
Der Zauberer seufzte und sagte laut: »Aber schließlich habe ich es doch geschafft.«
»Das stimmt«, gab der Drache zu. »Mit deinem üblichen dramatischen Auftritt.«
Merlin schmunzelte, dann wurde sein Gesicht ernst. »Ich hoffe«, sagte er leise, »dass die Verluste nicht zu groß waren.«
Basilgarrads Blick und sein Schweigen sagten alles.
»Das tut mir leid, Basil. Ich bedaure es zutiefst.« Er atmete lange, langsam ein. »Aber gerade als ich ankam, hörte ich, was du zu den anderen hier sagtest. Eine ungewöhnliche Rede mit schwer erworbener Weisheit.«
»Zu schwer erworben«, antwortete der Drache ernst, sein Blick wanderte über das Feld voller Leichen. »Viele Geschöpfe, zu viele, sind gefallen, um Avalon zu schützen. Von den kleinsten Feen bis« – er |101| hielt inne und wechselte einen Blick mit Marnya – »zu dem größten Drachen.«
»Ich weiß.« Merlin betrachtete die Leiche von Babd Catha auf den Boden. »Das ist eine gefallene Kriegerin, die mutig kämpfte, da bin ich mir sicher.«
»Sehr mutig.« Basilgarrad blähte die Nüstern. »Sie muss zweihundert Angreifer getötet haben.«
»Und wünschte sich«, fügte Merlin liebevoll hinzu, »es wären zweihundertundeins gewesen.«
»Und nur um eins hat sie gebeten«, fügte Marnya hinzu und winkte mit einer Flosse, »in den hohen Bergen unterm Schnee begraben zu werden.«
»Unterm Schnee?«, stotterte Merlin. »Aber sie
hasste
Schnee, wenigstens nach den Barden.«
»Sie haben sich geirrt.« Der Drache kam mit seiner Schnauze näher, sodass seine Nase fast Merlins Gewand berührte. »Jetzt, wo du zurück bist, haben wir Arbeit vor uns. Wichtige Arbeit.«
Der Magier zog die weißen Augenbrauen, so flauschig wie Wolken, hoch über die halbe Stirn. »Erzähl, Basil.«
»Wir müssen zum verhexten Moor! Ein schattenhaftes Ungeheuer lauert dort, ein Monster,
dunkler als dunkel
beschrieben.« Mit der Krallenspitze kratzte er ein paar tote Egel vom Boden. »Es dient Rhita Gawr – und es wird bestimmt nicht damit
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