Merlins Drache 03 - Die Schlacht der endlosen Feuer
ihm?«
Sie schaute ihn nur an.
»Das ist absurd.«
Ihr Blick blieb der gleiche.
»Wirklich, Serella. Das ist lächerlich. Unmöglich.«
Er runzelte die Stirn. »Wie … könnte das irgendetwas mit Merlin zu tun haben?«
Sie legte den Kopf auf die Seite, sodass ihr silberblondes Haar über eine Schulter fiel. »Er ist dein Vater, weißt du.«
»Auch wenn er sich nie wie einer verhalten hat«, knurrte Krystallus. »Wirklich, selbst als ich klein war, machte er klar, dass ich …«
»Sprich weiter.«
»Dass ich nicht so wichtig für ihn war wie alle seine speziellen Orte! Seine besondere Welt!«
Das Elfenmädchen nickte. »Avalon.«
»Ja, Avalon.« Er streckte das Kinn vor. »Er hat mich so schlecht behandelt wie … nun, wie … sein Vater ihn behandelt hat. Ich bekam das Gefühl, dass er seine Welt, Avalon, viel mehr geliebt hat als …«
»Seinen eigenen Sohn.«
|137| Von der Gewalt ihrer Worte überrascht, atmete er hastig ein. Blinzelnd murmelte er: »Verdammter Dunst! Vernebelt mir die Sicht.«
»Stimmt«, sagte sie leise. »Nebel kann das.«
Er schaute sie an. »Ich bin ein erwachsener Mann, Serella! Forscher. Gründer einer Hochschule für Kartenzeichner. Du glaubst wirklich, ich sei gekränkt, weil Merlin diese Orte so sehr liebt? Und du glaubst wirklich, dass ich deshalb die Karte weggegeben habe?«
»Nicht dass du sie deshalb weggeben hast.« Sie blies langsam auf das Wölkchen in ihrer Hand, sodass es in die Luft schmolz. »Aber warum kannst du dich nicht dazu bringen, zuzugeben, dass du sie weggegeben hast, um Avalon zu helfen? Der Welt, die du ganz genauso sehr liebst wie Basil? Und genauso sehr wie dein Vater?«
Krystallus verzog das Gesicht. »Das ist absurd! Weit hergeholt. Idiotisch.« Er ballte die Fäuste, dann öffnete er sie langsam wieder. »Und … absolut richtig.«
Serella beugte sich näher und küsste ihn zärtlich auf die Lippen. »Das liebe ich an dir. Du lernst vielleicht ein bisschen langsam … aber wenigstens bist du ehrlich.«
Er kniff die Augen zusammen. »Und weißt du, was ich an dir liebe?«
»Was?«
»Dass du beim Klettern so leicht zu schlagen bist!« |138| Er zog an ihrem Seil. »Komm jetzt. Wer zuerst auf dem nächsten Sims dort oben ist!«
Bevor er noch mit dem Satz fertig war, hatte Serella sich zur Klippenwand gedreht und den ersten Haltegriff gefunden. Krystallus grinste, dann tat er das Gleiche und packte den Fels, der unter dem Nebel lag.
|139| 15
Ein Instinkt
Einen Berg von Drachenschuppen wette ich, dass unbedachte Kühnheit immer besser ankommt als Weisheit. Und wer irgendwie die Kühnheit überlebt, wird vielleicht ein bisschen weiser.
W ie zwei übergroße Spinnen erkletterten Krystallus und Serella die Klippenwand. Eine ständige Nebelkaskade ergoss sich über sie, als sie sich höherarbeiteten, der Dunst nässte Köpfe und Rücken und durchtränkte ihre Tuniken und Leggings. Als sie zum nächsten Sims stiegen, berührten ihre Hände und Füße kaum einen Halt, bevor sie nach dem nächsten griffen.
Nach mehreren Minuten ununterbrochenem Klettern war keiner mehr dem anderen voraus. Und keiner wurde langsamer. Inzwischen keuchten beide, hatten Schweiß- und Nebeltropfen im Gesicht und strengten jeden Muskel an, von den Fingerspitzen bis zu den Zehen.
Ein Adler flog vorbei und streifte mit einer ausgestreckten |140| Flügelspitze beinah Serellas Rücken. Der mächtige Schrei des Vogels hallte über die Klippen. Doch selbst dieser Lärm störte nicht die Konzentration der Wettkletterer. Ohne eine Sekunde Pause stiegen sie weiter.
Seit Jahren waren sie miteinander um die Wette geklettert, hatten sich herausgefordert, an viele verschiedene Orte höher oder schneller oder tiefer zu gelangen. Ob sie die nebligen Klippen von Fincayra erstiegen, zwischen den Inseln der Regenbogenmeere schwammen, nach leuchtenden Fischen im schäumenden Meer tauchten oder zu den Gipfeln von Steinwurzel wanderten, bei all diesen Abenteuern ging es darum, wer zuerst am Ziel war. Dabei wollte jeder von ihnen nicht einfach gewinnen, sie wollten vielmehr das Hochgefühl genießen, das sich einstellte, wenn sie sich bis an ihre Grenzen verausgabten.
Schließlich kamen sie an den Sims. Krystallus drückte die Spitze seines Stiefels in eine Kerbe, verlegte das Gewicht auf diesen Fuß – und hörte ein lautes
Kraaack
. Plötzlich brach die Kerbe weg und schickte Felssplitter in die Tiefe, die von der Klippe in den Cañon stürzten.
Krystallus schrie
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