Merlins Drache II - Die Große Aufgabe: Roman
klarer machte, während mehr Licht sie wegwusch.
Wellen sammelten sich am Wasser auf seiner Stirn. »Es gibt einen Weg dort hinauf, das weiß ich. Den Stamm und die Äste des großen Baums hinauf – bis zu den Sternen.«
Das Wasser trug ihn, sanft schaukelte es seinen Körper. Aber Krystallus achtete nicht darauf. »Irgendwer wird irgendwann diesen Weg finden«, überlegte er. »Irgendwer, irgendwann.«
Zwei schneeweiße Seeschwalben tauchten aus dem Himmelsblau herunter und landeten platschend nicht weit von seinem Kopf. Tropfen sprühten ihm ins Gesicht. Beim tiefen Einatmen roch er den süßen Tau auf ihren Flügeln, den sie vielleicht von den blühenden Inseln hergetragen hatten, wo farbenfrohe Wasserlilien immer blühten.
Er drehte sich zur Seite und sah flüchtig einen smaragdgrünen Schatten direkt unter der Oberfläche schwimmen. Ein Tümmler? Eine Seeschildkröte? Ein Wasserschmetterling mit azurblauen Flügeln?
Während er genauer hinschaute, wandte er seine Aufmerksamkeit dem Wasser selbst zu. Diese kühle Flüssigkeit, die unter seinen Armen durchfloss und ihn am Steißbein kitzelte, enthielt mehr Farben als nur Blau. Viel mehr. Denn in diesem Meer gab es Flüsse von Regenbogen. Unterschiedliches Grün, Violett, selbst Scharlachrot und Gold durchströmten jede Welle. Vermischte Farbströme flossen überall um ihn herum, sie zitterten und funkelten im Licht.
Die Regenbogenmeere
, sagte er sich.
Ein treffender Name!
Eine Welle schwappte über sein Gesicht, doch er merkte es kaum. Denn er selbst hatte diesen Namen geprägt, auf seiner ersten Reise zu diesem Reich. Genau wie er den Namen
Nebelquell
gewählt hatte für den großen Sprühwasserturm, der nicht weit von hier aus dem Ozean schoss. Der Nebelquell hob sich wie eine riesige Quelle in die Wolke darüber und sah aus wie umgekehrter Regen.
Krystallus wendete und schwamm zur Küste zurück, er fühlte sich jetzt wesentlich ruhiger, wenn ihm auch ein bisschen kalt war vom Wasser. Als er tropfnass herauskam, trocknete ihm eine Brise Rücken, Arme und Beine. Er schüttelte seine Mähne und schickte damit einen Tropfenregen über den Sand. Schnell warf er die Tunika über und legte den Gürtel an, dann setzte er sich, um die Stiefel anzuziehen.
»Ich schwimme sehr gern«, sagte er zu den Dünen, dem Himmel und dem endlosen Meer. »Fast so gern«, fügte er hinzu und zog einen Stiefel auf den nassen Fuß, »wie ich reise.«
Mit seinen scharfen Augen bemerkte er eine Reihe ungewöhnlich hoher Wellen, die so scharf wie Bergspitzen am Horizont aufragten. Nein – nicht Wellen. Segel! Die Segel von Schiffen.
Elf Schiffe, stellte er fest und wusste Bescheid. Sie mussten von ihrer Bucht im Süden hergesegelt sein. Gruppen von Elfen aus El Uriens Wäldern waren mit ihrer Anführerin gekommen, um eine neue Kolonie zu gründen, Caer Serella.
Und eine neue Elfenart, vermute ich, wenn genug Zeit vergangen ist. Nicht mehr Waldelfen – eines Tages werden sie Wasserelfen sein.
Er sah zu, wie die Schiffe mit Windeseile über die Wellen glitten. Mit vollen Riesensegeln lagen die Boote schief, eigentlich flogen sie übers Wasser. Schon konnte er ihre Buge erkennen, gesäumt von großen Pauamuscheln, die blau, lavendelfarben und grün schillerten. Und dort – das Emblem von Serella aufallen Segeln aus Binsen: eine große blaue Welle in einem Kreis von Waldgrün.
»Serella!«, stieß er hervor und hob die Faust zu der Schiffsreihe. »Du magst zuerst in dieses Reich gekommen sein. Aber es gibt noch viel mehr Gegenden auf dieser Welt – mehr, als du dir vorstellen kannst. Und die besten werde ich zuerst erreichen!«
Als ihm klar wurde, dass er schon wieder grollte, schob Krystallus nachdenklich die Lippen vor. Warum ärgerte ihn die Elfenkönigin so? Was war an ihr, das sein Blut zum Kochen brachte? Die hochmütige Überlegenheit auf ihrem eleganten Gesicht vielleicht. Oder die Art, wie sie ihre Entdeckungen heraustrompetete, als gäbe es keine anderen Forscher in Avalon. Oder vielleicht … der schiere Genuss, mit dem sie ihn hochmütig verspottete, wo immer ihre Wege sich zufällig kreuzten.
»Na so was, ist das nicht Krystallus, der Amateurforscher?«, hatte sie bei ihrem letzten Zusammentreffen gesagt, einer unbeabsichtigten Begegnung an einer Pforte im nördlichen Malóch, nicht weit von der gefährlichen Höhle, die Verborgenes Tor genannt wurde. »Bist du nicht weit und breit bekannt als« – in diesem Moment hatte sie innegehalten und ihre nächsten
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