Merlins Drache II - Die Große Aufgabe: Roman
zurück zur Pforte, deren Flammen schwach flackerten, und runzelte die Stirn. »Wir sollten das schnell herausfinden, bevor diese Pforte sich nicht mehr öffnet.«
»Und wir für immer hierbleiben müssen«, fügte Nuic düster hinzu.
Merlin zog seinen Stab aus dem Gürtel und hielt ihn sich vors Gesicht. Vorsichtig blies er auf den knorrigen Griff. Sofort begann der Stab zu leuchten wie eine kräftige Fackel und schickte sein Licht in alle Richtungen.
Was für eine Höhle! Riesige gebogene Pfeiler, gewunden wie enorme Wurzeln, ragten auf und vereintensich so hoch oben, dass man es nicht sehen konnte. Rund um die Gefährten wellten sich Felswände, als wären sie gefrorene Wogen. Am Fuß einer dieser Wände brannte das Feuer der Pforte und spuckte grüne Funken auf den Boden.
Doch das Licht dieses Feuers erklärte nicht die schwache weiße Helligkeit, die sie bei ihrer Ankunft bemerkt hatten. Es war Merlin, der als Erster erkannte, woher dieses Licht kam. Er musterte die Höhlenwände und nickte. Denn da, im Fels, waren Tausende und Abertausende leuchtender Kristalle.
»Élanokristalle!«, flüsterte er. »Überall rundum.«
Mit erhobenem Stab ging er zur nächsten Wand. Vorsichtig legte er die Hand an den Fels. Milchweißes Licht leuchtete durch die Handfläche und jeden seiner Finger, alle Knochen und Muskeln unter der Haut waren sichtbar. Der Fels fühlte sich warm an – nicht nur die Wärme von Hitze war spürbar, eine physikalische Erscheinung, sondern auch die tiefere Wärme von etwas Geistigem: einem Gefühl der Zugehörigkeit zum ganzen Universum, der Zufriedenheit, ein Blick auf die rhythmischen Muster des Lebens.
Merlin drehte sich Rhia zu, sein Gesicht sah jünger aus als seit vielen Jahren. Dann, als er die Hand von der Wand nahm, wurde der Ausdruck plötzlich sachlich. »Es ist hier, rundum. Aber wie können wir es bekommen? Wir würden Werkzeug brauchen, Hammer und Meißel, um auch nur einen Bruchteil abzuschlagen.«
»Vielleicht nicht.« Lleu trat vor. Als die anderen ihn verwundert anschauten, legte der Priester sich eine Hand ans Ohr. »Horcht«, sagte er leise. »Horcht nur.«
Alle standen schweigend da und atmeten so leise wie möglich. Doch bis auf das gelegentliche Knarren eines Stiefels oder das Rascheln eines Ärmels vernahmen sie keinen Laut – nichts als die außerordentliche Ruhe in der Höhle.
Dann … war etwas anderes zu hören. Leise, zart und weit entfernt, äußerst behutsam, doch unverkennbar.
Tropf … tropf … tropf.
»Wasser!«, rief Merlin. Lächelnd drehte er sich zu Lleu um und drückte dessen Schulter. »Nicht zu knapp.«
Der Priester grinste. »Ein junger Zauberer, den ich vor einiger Zeit kennenlernte, lehrte mich, dass die Gaben, die du geschenkt bekommst, nicht annähernd so wichtig sind wie der Gebrauch, den du davon machst.«
Rhia stellte sich neben Merlin. »Und wo an einem solchen Ort Wasser tropft, da könnte auch …«
»… ein Teich sein«, sagte Lleu. »Ein Teich voll destilliertem Élano.«
»Stimmt.« Der Magier hob seinen leuchtenden Stab und warf dabei entstellte Schatten an die Wände. »Das sollten wir herausfinden, einverstanden?«
»Hmmmpff.« Nuic stand neben der Pforte. »Ich will dein Temperament nicht dämpfen, aber ichschlage vor, dass du dich bei deinem Vorhaben beeilen solltest.«
Alle drehten sich um zu ihm – und der Pforte. Die Flammen waren am Erlöschen! Sie flackerten, zischten und wurden mit jeder Sekunde kleiner.
»Kommt!«, rief Merlin und rannte auf das tropfende Geräusch zu. Schritte hallten durch die Höhle, als Lleu und Rhia, die Nuic aufgehoben hatte, hinter ihm herrannten. Schatten flackerten über die funkelnden Wände, als würden sie mit den Gefährten um die Wette laufen.
Plötzlich blieb Merlin stehen. Die anderen prallten von hinten fast auf ihn. Doch wie er konnten sie nur verwundert auf die Szene vor ihnen starren. Überall rann Wasser aus den zahllosen Wandspalten und tropfte von den wurzelähnlichen Pfeilern – in einen schimmernden weißen See. Die leuchtende Oberfläche erstreckte sich bis in die Ferne. Ein See von dieser Größe wäre oben riesig erschienen, hier unten, weit unter der Oberfläche, wirkte er noch größer.
»Ein Élanosee«, sagte Merlin leise und betrachtete ihn ehrfürchtig. »So viel Magie, so viel Leben!«
»Und was willst du jetzt unternehmen, großer Zauberer?« Nuics raue Stimme hallte von den Wänden und wurde vom ständigen Tropfen und Platschen unterstrichen. »Einen
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