Merlins Drache II - Die Große Aufgabe: Roman
Gesichtsausdruck zu urteilen, war sie kein bisschen glücklich. Krystallus konnte das ohne jeden Zweifel feststellen. Denn sie schaute, wie er plötzlich merkte, ihm direkt ins Gesicht.
Er fuhr zusammen und fiel fast rücklings auf den Balkon. Sie starrte ihn nur weiter an, Feuerschein tanzte in ihren tiefgrünen Augen.
»Nun?«, fragte sie mit heiserer Stimme. »Kommst du herein oder nicht?«
Krystallus richtete sich auf, ging hinüber zu einer reich geschnitzten Tür und drehte den silbernen Knopf. Er betrat das Zimmer der Königin und erwiderte unentwegt ihren Blick. Serella wich ebenfalls nicht aus, doch sobald er im Raum war, klapperte das Eulchen auf dem Bettpfosten laut mit dem Schnabel.
»Ruhig jetzt, Clowella«, sagte sie mit einem kurzen Blick auf das Eulchen. Dann fügte sie lässig hinzu: »Er ist nur hereingekommen, um mich zu töten.«
Krystallus schaute sie finster an. »Wenn ich dich töten wollte, hätte ich nicht die Mühe auf mich genommen, dich von Lastrael herzubringen. Du warst fast tot, als ich dich fand.«
Serella schnaubte verächtlich. »Und das soll ich glauben! Meine Wachen haben mir gesagt, du wolltest mich erwürgen, als sie dazugekommen sind.«
Kopfschüttelnd ging Krystallus zu dem schwebenden Drachen und schnalzte ihn mit dem Finger an. Er stieg höher in die Luft, und obwohl es keinen Wind gab, drehte er einen anmutigen Kreis durch den Raum, bevor er wieder über dem Bord schwebte.
»Genau genommen«, antwortete Krystallus schließlich, »habe ich gerade nach deinem Puls gesucht, weil ich wissen wollte, ob du noch lebst.« Er funkelte sie wütend an. »Ich habe geglaubt, du bist tot. Mein zweiter Fehler.«
Ihre Augenbrauen rutschten hoch. »Und was war dein erster?«
»Der Versuch, dich zu retten«, antwortete er kühl. Dann fragte er stirnrunzelnd: »Woher hast du gewusst, dass ich da draußen auf deinem Balkon war?«
Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen. »Der braune Bernstein. Er hat die Farbe gewechselt.«
Krystallus drehte sich um und sah, dass der Bernstein auf dem Bord wirklich nicht mehr kastanienbraun war, wie er ihn gesehen hatte. Jetzt zeigteer eine bedrohliche Schattierung von Schwarz, fast wie die Landschaft in Schattenwurzel.
»Eindrucksvoll.« Krystallus wandte sich ihr wieder zu. »Ich enttäusche dich nur ungern, aber ich bin nicht hergekommen, um dich zu töten. Du magst eine arrogante, gnadenlose Tyrannin sein und eine hinterhältige Rivalin … aber du hattest es nicht verdient, auf dem Boden eines weit entfernten Reiches zu sterben. Und du verdienst es nicht, heute Nacht zu sterben.«
Zum ersten Mal seit er das Zimmer betreten hatte, blinzelte Serella. Das Feuerlicht warf flackernde Schatten auf ihr Gesicht. »Warum bist du dann gekommen? Bestimmt hättest du bis jetzt fliehen können. Und meine Wachen werden …«
»… mich töten wollen, ich weiß.« Ruhig trat er an die Bettseite. Ohne auf das Eulchen zu achten, das ihn scharf beobachtete, beugte er sich näher zu Serella. »Willst du wirklich wissen, warum ich gekommen bin?«
»Ja«, sagte sie, aber nicht so herrisch wie sonst. Mit großen Augen schaute sie zu ihm hinauf. »Warum?«
Er beugte sich tiefer und küsste sie auf die Lippen. Sie zuckte zusammen, fuhr aber nicht zurück. Stattdessen legte sie die Hände auf beide Seiten seines Kopfs, zog ihn näher heran und küsste ihn leidenschaftlich.
Schließlich trennten sie sich. Nach einer Pause sagte Krystallus: »Darum.«
»Du … weißt du …« Sie schob ihr Haar zurück, dann räusperte sie sich. »So eine Unverschämtheit könnte dich das Leben kosten.«
»Schreib sie auf meine Liste der Verbrechen«, sagte er grinsend. Er beobachtete sie ein paar Sekunden lang, dann wandte er sich ab, bereit, das Zimmer zu verlassen. Aber er blieb noch einmal stehen und warf einen Blick auf das Stück Elfenbein, das jetzt goldgelb schimmerte.
»Warte«, sagte sie – nicht im Befehlston einer Königin, sondern im flehenden einer Liebenden. »Ich will dir etwas geben.« Sie lächelte fast. »Das heißt, etwas anderes.«
Er drehte sich um und legte fragend den Kopf schief.
»Dort drüben.« Sie deutete auf einen Gegenstand auf einem der Regale. »Dieser Kompass. Ich möchte, dass du ihn hast.«
Er schüttelte den Kopf mit der weißen Mähne. »Aber den brauchst du. Für deine Entdeckungen.«
»Nein«, sagte sie ein wenig traurig. »Ich glaube, du brauchst ihn mehr. Verdienst ihn jedenfalls mehr.« Sie biss sich auf die Lippe, dann fuhr
Weitere Kostenlose Bücher