Merode-Trilogie 3 - Löwentod: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
und Haaren.“ Er zwinkerte mit einem Auge.
„Was also dann?“
„Ich würde mir wünschen, der beste Bogenschütze der ‚Herrschaft‘ zu sein. Dann würde ich Paulus nämlich um seine zwanzig Silbergulden erleichtern. Und wir beide könnten ...“ Im Geiste erwog er die Möglichkeiten, die ihm der Geldsegen öffnete.
Regina stöhnte auf. „Und ich dachte, dieses Hirngespinst hätte ich dir ausgetrieben.“
„Keine Sorge, das hast du“, beruhigte Dietrich sie, „spätestens seit gestern, als ich bei einem Übungsschuss beinahe den Kastellan umbrachte, habe ich jede Hoffnung begraben.“
„Du hast auf Friedrich geschossen?“
„Natürlich nicht. Nur auf eine Taube, die auf dem Sims kauerte. Leider verirrte sich mein Pfeil ein wenig und, äh ...“
Regina vergrub ihr Gesicht. „Bei allen Heiligen. Versprich mir, in Zukunft die Finger von allen Waffen zu lassen.“
„Nun übertreib mal nicht.“
„Versprich es!“
„Also schön. Versprochen.“
Regina atmete beruhigt auf. „Wenigstens warst du nicht so töricht wie der Dorfherr, der den Burgvogt herausgefordert hat.“
„Herr Mathäus ist keineswegs töricht“, fuhr Dietrich erbost auf.
„Ach nein? Und warum hat er dann ...?“
„Paulus hat ihn bis zur Weißglut gereizt. So, wie er es immer tut. Da kann selbst ein Herr Mathäus schon einmal die Nerven verlieren.“
„Du hast eine hohe Meinung vom Dorfherrn, nicht wahr?“
„Er ist ein sehr guter Mensch. Mein letztes Wams würde ich für ihn geben. Ich wünschte, ich könnte ihn vor der Schmach bewahren, die ihm bevorsteht.“
„Schmach? Ich dachte, es sei nur ein Wettbewerb?“
„Davon verstehst du nichts.“ Nachdenklich verschränkte er die Hände hinter seinem Kopf.
„Ach, mein Dietrich.“ Sie bettete ihren Kopf auf seiner Brust. „Lass uns noch ein wenig schlummern. Und träumen von einer guten Fee, die uns einen Wunsch gewährt.“
Nach einer Weile richtete Dietrich sich abrupt auf. „Schlummern? Schlummern!“
„Was hast du denn?“, fragte Regina erschrocken.
„Regina, mein Täubchen: Ich glaube, du hast mich auf eine Idee gebracht.“
Noch nie in seinem Leben war Mathäus derart niedergeschlagen gewesen. Grübelnd hockte er in seiner Stube und starrte auf die hölzerne Muttergottes, die vor ihm auf dem Tisch stand, ohne sie wirklich zu sehen. Aus ihrer zu großen Nase war inzwischen ein winziger Stummel geworden; obwohl Mathäus sich dieser Gefahr bei seinen letzten Korrekturarbeiten bewusst gewesen war, hatte er es dennoch verpfuscht. Aber sein Ärger darüber hielt sich in Grenzen. Seine wirklichen Sorgen waren anderer Natur.
Welche Bestie hatte den kleinen Heiner umgebracht? Derselbe, der den Rücken des Jungen verunstaltet hatte? Wahrscheinlich! Aber warum hatte dieser Jemand dem Ortwin nicht ebenfalls das Leben genommen? Jedenfalls nicht, überlegte Mathäus, weil er Skrupel gehabt hätte. Zu brutal war seine Vorgehensweise gewesen. Wenn er den kleinen Ortwin am Leben ließ, dann musste das einen guten Grund haben: Er hatte den Jungen als Überbringer seiner Botschaft, dieser unsäglichen Drohung, missbraucht. Welches Ziel verfolgte ein Mensch, der Kinder quälte und tötete? Und warum hatte er sein Gesicht verhüllt? Hatte er befürchtet, von Ortwin erkannt zu werden? War er etwa eine Person aus der „Herrschaft“? Jemand, der am Sonntag wie alle anderen in der Pfarrkirche inbrünstig für eine gute Ernte betete? Oder war er ein Fremder, der sein Gesicht nur aus einer reinen Vorsichtsmaßnahme heraus verhüllt hatte, damit der Kleine ihn später nicht wiedererkannte?
Der Löwe! Was hatte es mit dem Löwen auf sich? Gab es einen Zusammenhang zwischen der Missetat im Wald zu Merode und den Morden in Aachen, wo Löwenköpfe ebenfalls eine geheimnisvolle Rolle spielten?
Je mehr Fragen durch Mathäus’ maladen Kopf geisterten, umso verzweifelter wurde er. Rätsel über Rätsel – und keine Antworten. Doch das Schlimmste an all dem war, dass der Schänder ihm Fesseln angelegt hatte. Seine Botschaft war eindeutig gewesen: Wenn er, der Dorfherr, weitere Nachforschungen in dieser Angelegenheit betrieb, würde unweigerlich das nächste Unglück geschehen. Die Handschrift des Täters war eindeutig. Gewiss würden wieder Kinder die Leidtragenden sein. Mathäus war zur Tatenlosigkeit verdammt.
Wütend erhob sich Mathäus von seinem Schemel und marschierte mit rücklings gekreuzten Armen auf und ab. Sollte er nun wirklich untätig bleiben, der Schlechtheit der Welt ihren Lauf lassen,
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