Merode-Trilogie 3 - Löwentod: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
dem Rathaus sein Ziel.
Heinrich pfiff seinen Hund herbei, dessen Aufmerksamkeit jedoch inzwischen einer Hündin mit hellem, struppigem Fell galt, die etwas weiter abseits an einer Hauswand lag und die musternden Blicke der Dogge fast schon arrogant erwiderte. Kein Wunder also, dass Chlodwig über den Befehl seines Herrn hinwegsah und auf seinem Hinterteil sitzen blieb.
Heinrich stapfte herbei. „Da sieht man’s wieder“, brummte er, „nicht die geringste Ahnung hast du, wie man mit Frauen umgeht. Wenn du etwas von der Blondine willst, musst du dich schon selbst zu ihr bemühen. Oder glaubst du vielleicht, sie kommt zu dir, weil du so ein tolles Bürschchen bist?“
Chlodwig leckte schmatzend sein Maul und sah seinen Herrn beleidigt an.
„Vergiss es“, winkte Heinrich seufzend ab. „Heb jetzt deinen Hintern hoch, bevor wir den Franzosen aus den Augen verlieren.“ Er spähte in die Richtung, in die Robert de Marle verschwunden war. Die sich allmählich auflösende Menschenmenge vor dem Weißfrauenkloster erschwerte ihm die Sicht. „Beeilung“, drängte er den Hund, der der Hündin einen letzten wehmütigen Blick schenkte und sich dann gemächlich erhob. Außerdem hielt Chlodwig es für angebracht, sein Fell kräftig zu schütteln, bevor er endlich bereit war, seinem Herrn hinterherzutrotten.
Heinrich drehte sich verärgert um. „Geht es etwas schneller, du Schnecke? Ach, der gute Mathäus hat ja so recht: Du bist in der Tat ein Mondkalb!“
In seinem Eifer, den Franzosen einzuholen, stieß Heinrich mit einer zierlichen Person zusammen, die seinen Weg kreuzte. Eine Entschuldigung stammelnd half er ihr, das Gleichgewicht zu halten, indem er sie sanft bei den Schultern packte. Als ihre Blicke sich trafen, erstarrte Heinrich. Vor ihm stand – Johanna!
Sie hatte sich kaum verändert. Ihr ebenes Gesicht war so, wie er es bildhaft in Erinnerung hatte: blass, zart und zauberhaft. Blonde Haarsträhnen schauten unter ihrer Haube hervor. In ihren Augen glomm das Feuer des Erkennens.
„Heinrich“, hauchte sie fassungslos.
Heinrich schluckte. Bilder der Vergangenheit tobten durch seinen Kopf. Seine Beine drohten ihm den Dienst zu versagen. „Ihr ... müsst mich verwechseln“, brachte er mühsam hervor.
„Warum sagst du das? Du weißt, dass ich es bin.“
Er senkte den Kopf. „Du hast recht, Johanna. Ich bin ein Esel.“
Chlodwig hatte die beiden erreicht und setzte sich hechelnd neben seinen Herrn, sichtlich erleichtert über diese neuerliche Pause.
„Gehört dieser Riese zu dir?“, fragte Johanna.
Heinrich versuchte, ihr Lächeln zu erwidern. „Sein Name ist Chlodwig.“
„Und ...“ Sie suchte nach Worten. „Wie ist es dir ergangen?“
„Ich will mich nicht beklagen. Und du? Bist du ... glücklich?“
Sie nickte zaghaft. „Ich bin ...“
„Ich weiß. Du bist verheiratet. Mit einem Ratsherrn. Gib gut auf ihn acht. Ratsherren leben gefährlich in dieser Stadt.“
„Woher weißt du es? Dass ich verheiratet bin?“
Er antwortete nicht. „Habt ihr Kinder?“, fragte er stattdessen. Er hatte unerklärliche Mühe, ihrem Blick standzuhalten.
„Zwei“, erwiderte sie leise.
„So? Ich freue mich für dich, Johanna. Du bist glücklich. Du besitzt alles, was du dir jemals gewünscht hast.“
„Heinrich!“ Plötzlich schüttelte sie heftig den Kopf. „Warum bist du damals davongerannt?“
„Nicht vor dir bin ich davongerannt, Johanna.“
„Nein. Nur vor dir selbst. Und du tust es heute noch.“
„Ich ...“
„Der Tod des Kindes war nicht deine Schuld.“
„Johanna!“ Seine Stimme wurde fester. „Seit Jahren verfolgt mich dieser Spruch: Nicht deine Schuld ! Aber es geht nicht nur um Schuld und Unschuld.“
„Um was geht es wohl sonst?“
„Du würdest es nicht verstehen.“
„Du könntest es mir erklären.“
Er sah in ihre fragenden Augen, und es überkam ihn das heftige Verlangen, sie zu umarmen. Er machte einen tiefen Atemzug und schüttelte traurig den Kopf. „Ich habe dich geliebt, Johanna“, flüsterte er. „Ich wünsche dir alles Glück der Erde.“ Er schob sich an ihr vorbei und ließ sie stehen. Sein Hund folgte ihm diesmal ohne Aufforderung.
Johanna sah ihnen lange hinterher. „Auch ich habe dich geliebt, Heinrich“, sagte sie tonlos, bevor auch sie ihren Weg fortsetzte.
Als Heinrich sich abends zu Hartmann an den Tisch in die vom Lärm der Zecher erfüllte Schankstube setzte, musterte ihn dieser unter zusammengekniffenen Brauen.
„Man sollte meinen, Ihr hättet ein Gespenst
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