Merode-Trilogie 3 - Löwentod: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
sich überschwänglich und verließ stolpernd das Haus der alten Hebamme. Seine Mundwinkel umspielte ein maliziöses Lächeln.
15. Kapitel
Nach einer schlaflosen Nacht, die erfüllt gewesen war von selbstquälerischen Gedanken an Johanna, nahm Heinrich anderentags die Spur Robert de Marles wieder auf. Gelangweilt trottete Chlodwig hinter seinem Herrn her, der sich durch das Menschengetümmel des Marktes wühlte. Ein nächtlicher Gewitterregen hatte den Platz zum Teil in einen schmierigen Morast verwandelt, den die wärmende Morgensonne ein wenig trocknete. Es roch nach Obst, Gemüse und Fischen, nach Schweiß und nach Unrat. Lautstark priesen Händler ihre Waren an, schnatternd und lamentierend feilschte man um die Preise. Zwei Stadtknechte hatten einen Hökerer in ihre Mitte genommen und zerrten den lauthals Schimpfenden mit sich fort. Schadenfrohes Gelächter hallte ihnen nach.
Die hochgewachsene Gestalt des Franzosen tauchte gegen Mittag am Stand eines aquitanischen Weinhändlers auf, was Heinrich insgeheim erwartet hatte. Wo sonst hätte der offenbar recht trinkfeste Robert de Marle seinem verwöhnten Gaumen Genugtuung verschaffen können? Fast eine ganze Stunde verweilte Robert bei seinem Landsmann, der ihm einen Becher nach dem anderen kredenzte. Die Männer unterhielten sich angeregt, doch Heinrich stand zu weit abseits, um ihren – ohnehin in einer fremden Sprache gesprochenen – Worten lauschen zu können. Endlich verabschiedete sich der Veteran von Crécy und setzte seinen Weg fort. Heinrich und sein Hund folgten ihm.
Robert de Marle verließ das Gedränge des Marktes. Am Büchel angelangt, betrat er das Königsbad, wo er sich offenbar zu erfrischen gedachte. Heinrich beschloss, ihm auch dorthin zu folgen, und Chlodwig erhielt die Billigung, sich derweil anderweitig zu vergnügen. Der Hund war mehr als erfreut darüber, seinen Herrn nicht länger bei dessen langweiligen Erkundungen begleiten zu müssen. Mit neuer Lebhaftigkeit schüttelte er sein Fell und trottete unternehmungslustig davon.
Im Badehaus herrschte reger Betrieb, was Heinrich seine Aufgabe erleichterte. Der Franzose ließ sich von einer Badedirne entkleiden, stieg dann in das Becken und tauchte seinen gewaltigen Körper bis zum Hals ins Wasser. Heinrich bezog seine Position am gegenüberliegenden Rand, wo er Robert de Marle ständig im Auge behalten konnte, ohne selbst Verdacht zu erregen. Unwillkürlich holten ihn Erinnerungen ein: Vor einem Jahr war er mit Mathäus hier gewesen. Der Gedanke an seinen einzigen Freund vergrößerte die Wehmut, die ihn ohnehin schon ergriffen hatte. Wie gerne hätte Heinrich den Dorfherrn in seiner Nähe gewusst. Ob Mathäus dem ruchlosen Kindermörder bereits auf die Spur gekommen war? Er wünschte es sich von ganzem Herzen, und einen seltsamen Augenblick lang war er versucht, ein Stoßgebet gen Himmel zu schicken. Heinrich erschrak vor sich selbst. Hatte er wirklich beten wollen?
Es war der rote Lockenkopf eines Weibes, der Heinrich ins Hier und Jetzt zurückholte. Wie aus einem Traum gerissen, reckte er seinen Kopf.
Ottilia!
Tatsächlich, sie war es. Die Hure war neben den Franzosen getreten und gab sich wenig Mühe, die Herrlichkeit ihres entblößten Körpers vor den Blicken des anderen zu verbergen. Angeregt unterhielten sich die beiden, bis sie schließlich lachend aus den Becken stiegen.
„Interessant“, murmelte Heinrich und sah ihnen hinterher. Er entschied, den beiden vorerst nicht zu folgen; es war ohnehin klar, was sie nun miteinander zu treiben gedachten. Die Hure würde er sich später noch einmal vornehmen. Und Robert de Marle entging seinem Schicksal sowieso nicht.
Heinrich verweilte noch eine Zeit lang im Wasser und beobachtete gedankenschwer das muntere Treiben um ihn herum. Dann rang auch er sich dazu durch, sich dem nassen Element zu entziehen. Er hatte beschlossen, sich zur Scherpstraße 1 zu begeben, um dort eine lebende Legende aufzusuchen.
Vier Mal hatte Gerhard Chorus in den vergangenen Jahrzehnten das Amt eines Bürgermeisters ausgeübt. Umsicht und Mäßigung, so hieß es, zeichneten den inzwischen Sechzigjährigen aus; als kluger Mittler zwischen Stift und Stadt, zwischen Adel und Handwerkerschaft hatte er sich bis weit über die Mauern der Stadt hinaus einen Namen gemacht. Kaiser Ludwig, den man den Baiern nannte, hatte ihm einst den Ritterschlag erteilt, denn im nimmer endenden Kampf gegen die Kurie in Avignon hatte Gerhard dem Kaiser treue Dienste geleistet. Dennoch war
Weitere Kostenlose Bücher