Merode-Trilogie 3 - Löwentod: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
hob streng seine Stimme. „ Wer war es?“
„Regina. Meine Liebste“, sagte er schließlich heiser. „Aber es war mein Einfall. Mir gebührt die Strafe.“
„Darüber reden wir später. Zunächst einmal müssen wir den Schwindel eingestehen. Wir wollen doch nicht ernten, wo wir nicht gesät haben, oder?“
Dietrichs Augen weiteten sich ungläubig. „Ihr wollt zugeben, dass ...“
„Natürlich. Dem Burgvogt ist Unrecht widerfahren.“
Dietrich griff beschwörend nach dem Arm des Dorfherrn. „Ihr seid verrückt!“ Er biss sich auf die Lippen ob dieser ungeheuerlichen Bemerkung. „Bitte verzeiht mir, Herr“, fuhr er zerknirscht fort, „aber dieser Hundsfott hat es doch nicht anders verdient. Die ganze ‚Herrschaft‘ wartet seit Jahren auf den Augenblick, wo man ihm eine Lektion erteilt. Nun ist es endlich geschehen, dank Euch. Ich beschwöre Euch, schweigt darüber. Niemand wird es je erfahren.“
Noch bevor Mathäus ihm antworten konnte, erblickte er Jutta, die aufgeregt winkte und sich durch die Menge wühlte. Er drückte den grinsenden Friedrich, der mit einem Ehrenkranz vor ihm erschienen war, zur Seite und schritt ihr entgegen. „Bitte keine Gratulation, Liebste. Ich ...“
„Mathäus!“
Der Tonfall ihrer Stimme offenbarte grenzenlose Angst und ließ den Dorfherrn erbleichen. „Was ist geschehen?“, fragte er tonlos.
„Maria! Sie ist verschwunden! Spurlos verschwunden!“ Sie fiel ihm in die Arme und weinte bitterlich.
17. Kapitel
„Wer ... wer seid Ihr?“
Der großgewachsene Fremde, dessen Gesicht unter einer dunklen Kapuze lag, antwortete nicht.
„Was wollt Ihr von mir?“
„Nichts weiter als deinen Kopf, Schmied“, kam es tonlos zurück.
„Meinen Kopf? Herrje, was wollt Ihr denn damit? In meinem Kopf blasen hundert Posaunen ...“ Er machte Anstalten, seinen Weg durch die Nacht fortzusetzen, doch der Fremde baute sich drohend vor ihm auf.
„Ende des Weges, Schmied!“
Allmählich dämmerte es dem Weinseligen. „Der Lö...Lö...Löwenmörder ...“
Der andere holte mit einer feierlichen Bewegung seinen Zweihänder hervor. „Der bin ich“, sagte er ruhig.
Der Nebel lag noch wie ein Gespenst über den Wäldern des Rurtales, doch in der Ferne schimmerte schon das erste Rot des Tages. Vögel inszenierten ein frühes Konzert.
Der alte Mann saß zusammengekauert in seinem Rollstuhl und starrte aus dem Fenster. Trübe Schleier bedeckten seine Augen; nichtsdestotrotz sah er die schattenhaften Umrisse der Nideggener Burg, deren Türme sich dort hinten düster in den Himmel reckten. Möglicherweise war dies jedoch kein wirkliches Erkennen. Vielleicht hatte das Bild der Burg sich seinem Gedächtnis bloß eingebrannt und offenbarte sich dem inzwischen fast Erblindeten nun wie von selbst. So, wie auch die anderen Bilder immer wieder vor seinen Augen erschienen. Ein Dämon hauchte sie dem Neunzigjährigen ins Hirn, sie machten aus ihm einen Gepeinigten, dem die Gnade des Todes verwehrt geblieben war, den nur noch der unstillbare Wunsch nach Rache am Leben hielt ...
Wiehernde Pferde! Pfeilhagel! Schwerter, die blitzen! Und die Schreie! Blut und Tod! Dann – ein endloser Abgrund!
Die Tür zur Kammer des Alten öffnete sich. Herein trat eine dickliche, rotwangige Frau, die kopfschüttelnd ihre fleischigen Arme in die Hüften stemmte. „Herr, was sitzt Ihr da am Fenster? Kühl ist’s hier. Den Tod werdet Ihr Euch noch holen!“
„In dieser Nacht ist es erneut geschehen“, erklärte die heisere Stimme des Alten. Er schien mit sich selbst zu sprechen.
„Habt Ihr etwa wieder die ganze Nacht dort gesessen?“ Ihr entsetzter Blick fiel auf das offensichtlich unbenutzte Bett des Alten.
„Es ist geschehen“, wiederholte dieser.
„ Was ist geschehen?“
Der Alte besann sich einen Augenblick, bevor er zu sprechen anhob:
„Der Löwe ward geschlagen.
Frevlers tumber Mord.
Nie wieder wird man’s wagen,
verflucht sei dieser Ort.“
Die Dicke seufzte. „Heilige Jungfrau, fangt nicht schon wieder damit an. Was bedeuten diese seltsamen Verse überhaupt?“
Der Alte antwortete nicht. Sein zerfurchtes Gesicht war zu einer hämischen Maske erstarrt. Noch immer sah er unbewegt aus dem Fenster.
„Genug jetzt“, sagte die Dicke und trat hinter seinen Rollstuhl. Mit fuchtelnden Bewegungen wendete sie das knarrende Gefährt. „Euer Morgenmahl ist bereitet, Herr. Ihr müsst jetzt brav essen, hört Ihr?“
„Nie wieder wird man’s wagen ...“, erwiderte der Alte mit einem Kichern.
Die Augen der beiden
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