Merode-Trilogie 3 - Löwentod: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
hierher, in deine Kammer. Denn auch ihr möchte ich ein paar dringliche Fragen stellen.“
18. Kapitel
Maria fröstelte. Zwar hatte der fremde Mann ihr eine zerlumpte Decke über die von Mückenstichen übersäten Beinchen gelegt, doch das half nicht, die Kälte zu vertreiben, die in dieser finsteren Grotte an den feuchten Wänden hing und sich wie der grausige Odem einer unsichtbaren Spukgestalt verbreitete. Das dichte Buschwerk vor dem Eingang zu diesem Loch ließ nur wenig vom grellen Tageslicht ins Innere. Aus schmalen Augen beobachtete Maria den Mann, der sie hergebracht hatte. Er hatte ein Feuer entfacht, über dem er ein Kaninchen briet. Auch der beißende Rauch, der sich ausbreitete, konnte die Kälte nicht vertreiben. Irgendwo tropfte Wasser.
Wenigstens ließ die Kälte Maria ein wenig die Angst vergessen, die sie empfand. Ihre Füße waren mit einem starken Seil zusammengebunden, fest, unerbittlich und schmerzhaft. Immerhin hatte der Mann darauf verzichtet, ihr auch die Hände zu binden, hatte er doch richtig erkannt, dass die Kleine auch in hundert Jahren nicht in der Lage sein würde, sich der Fesseln zu entledigen. Außerdem würde ein wenig Bewegungsfreiheit wohl dazu beitragen, dass sie nicht ständig flennte. Der Ritt hierher war Tortur genug gewesen. Als die Kleine gemerkt hatte, dass er sie keineswegs zum Nachwuchs der Familie Fuchs bringen wollte, hatte sie losgeschrien wie eine Katze, der man das Fell über die Ohren zieht. Auch einige kräftige Ohrfeigen hatten daran nichts geändert, im Gegenteil – Marias Geschrei war nur noch gellender durch den Wald geschallt. Erst ein Knebel hatte sie verstummen lassen.
Von dem Knebel hatte er sie eben erst wieder befreit. Zu seiner Erleichterung war sie ruhig geblieben, hatte ihn nur angstvoll angestarrt. Nun schnitt er ein Stück Fleisch aus dem Rumpf des Kaninchens und warf es der Kleinen in den Schoß. „Iss das!“, sagte er mit Nachdruck. Es waren seit Stunden die ersten Worte, die er von sich gab.
Maria regte sich nicht, schluchzte nur leise.
Der Mann hob drohend einen Finger. „Jetzt wird nicht geflennt, sondern gegessen, verstanden? Sonst stopf ich dir den Knebel wieder in den Mund!“
Sie zweifelte nicht einen Augenblick daran, dass er seine Drohung wahr machen würde. Der Mann, der ihr am Anfang so liebenswürdig erschienen war, war in Wirklichkeit wie einer der Unholde aus den Geschichten, die Großvater Johann ihr zu erzählen pflegte. Mit zitternden Händen griff sie nach dem dampfenden Stück Fleisch und roch daran.
„Igitt!“ Jeglicher Angst zum Trotz warf sie es dem Fremden vor die Füße. Der zuckte gleichmütig mit den Schultern.
„Wie du willst. Dann wirst du eben verhungern.“
Tapfer bewahrte sie Fassung, beobachtete den anderen, wie dieser, auf einem Felsenstein hockend, sein Fleisch verschlang, ohne ihr weitere Beachtung zu schenken. Ihre Mückenstiche juckten unerträglich.
„Wo sind wir hier?“, traute sie sich schließlich zu fragen.
„Wozu willst du das wissen?“, erwiderte der Mann, ohne seine Mahlzeit aus den Augen zu lassen. „Du bist in einer Höhle, wie du siehst. Und hier bleibst du vorläufig.“
„Warum hast du mich gefangen?“
„Hör auf, mir Löcher in den Bauch zu fragen, Mädchen.“
Erstmals wich ihre Furcht einem Anflug von Trotz. „Mathäus und Jutta werden mich suchen“, erklärte sie in der vagen Hoffnung, dass diese Nachricht dem Mann sauer aufstoßen würde. Der aber nagte unverdrossen an seinem Fleisch herum.
„Sie werden dich nicht suchen“, sagte er zwischen zwei Bissen. Es klang wie eine unerschütterliche Gewissheit.
„Werden sie doch!“
„Wenn sie dich suchen, Mädchen“, nun sah er die Kleine aus seelenlosen Augen an, „dann wirst du sterben. Sie wissen das. Also werden sie es nicht tun.“
Maria hätte schreien können. Schon einmal in ihrem Leben hatte sie eine solche Angst verspürt. Bilder aus einem verworrenen Nebel der Vergangenheit holten sie ein. Fremde Männer in Rüstungen. Ein brennendes Haus. Ihre toten Eltern ...
Ewigkeiten schien das zurückzuliegen. Dann war sie in die Fänge des böhmischen Menschenhändlers geraten. Hier verschwammen ihre Erinnerungen. Vielleicht, weil sie damals nicht begriffen hatte, was mit ihr geschah. Doch nun, obgleich nur ein Jährchen älter und reifer geworden, wusste sie, dass ihr junges Leben wieder in Gefahr war. Ihr Herzchen begann heftig zu pochen. Gleichzeitig aber wuchs das Gefühl des Trotzes in ihr.
„Hein wird mich hier
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