Merry Ex-Mas
Frauen so wichtig? Das hatte Jake noch nie verstanden. Er war eher der Typ für einen saftigen Burger mit knusprigen Pommes. Oder der Typ für ein Picknick. An sonnigen Sonntagnachmittagen hatten Ella und er sich oft einige Sandwiches und Chips sowie ein paar Äpfel eingepackt und sich ein hübsches Fleckchen am Icicle Creek gesucht. Sie hatten den Tag am Ufer des Flüsschens verbracht, die Füße ins Wasser baumeln lassen und geredet. Manchmal hatte er sogar seine Gitarre mitgenommen und Ella etwas vorgesungen. Das hatte sie immer geliebt. Jedenfalls hatte sie es behauptet.
Jetzt kam Axel den Weg zum Haus hoch. Was hatte er wohl für diesen Anzug bezahlt? Ella könnte das bis auf den Penny genau schätzen. Sie liebte schöne Klamotten und wusste sich zu kleiden, aber sie hatte nie begriffen, dass nicht das, was eine Frau anhatte, die Männer auf sie aufmerksam machte. Es war die Frau, die die Sachen trug, die zählte.
Kleider machen Leute – wer auch immer das gesagt hatte, er hatte sich geirrt.
Es klingelte, und Jake überlegte, ob er Axel einfach dort in der Kälte stehen und weiter klingeln lassen sollte. Vielleicht würde ihm der Finger abfrieren. Vielleicht würde er aufgeben und weggehen. Leider war das nicht sehr wahrscheinlich.
Jake war schon auf halbem Weg zur Tür, als Ella, mit Tiny auf den Fersen, die Treppe hinuntergeeilt kam. „Ich gehe schon.“
Grimmig verschwand Jake wieder im Wohnzimmer und griff nach seiner Gitarre.
Und begann, darauf herumzuklimpern. Ziemlich laut.
Trotzdem hörte er, wie Axel sagte: „Ella, Sie sehen unglaublich aus.“
Als wenn das was Besonderes wäre. Ella sah immer unglaublich aus. Aber heute Abend hatte sie sich besondere Mühe gegeben – sie trug ihr Haar offen (diese herrliche Mähne, durch die Jake so gern mit beiden Händen hindurchgefahren war) und trug ein, wie Frauen sagten, kleines Schwarzes, kombiniert mit hochhackigen Schuhen. Wie Frauen auf diesen Dingern gehen, geschweige denn laufen konnten, war ihm ein Rätsel. Aber verdammt, eine tolle Frau auf High Heels – welcher Mann konnte da widerstehen?
Und sie trug sie für Axel. Jake zupfte noch lauter auf seiner Gitarre. Trotzdem konnte er Ellas Stimme hören, als sie antwortete: „Danke, Axel. Es ist immer nett, wenn ein Mann bemerkt, was eine Frau anhat.“
Jake bemerkte immer, was sie anhatte. Und dann dachte er daran, wie er es ihr wieder ausziehen könnte. Er würde seine Großmutter verwetten, dass Fuchs, dieser Schuft, genau dasselbe dachte.
Die Tür wurde geschlossen, und sie waren weg. Tiny kam ins Zimmer und setzte sich zu Jakes Füßen. Genauer gesagt, ließ er sich auf einem von Jakes Füßen nieder. Der würde jetzt innerhalb von wenigen Minuten taub sein. Wenn Jake doch nur sein Herz genauso schnell betäuben könnte.
Er zupfte einen Akkord. „Ich wünschte, mein Herz wär aus Eis.“ Gefolgt von einem weiteren Akkord. „Dann bräuchte ich nichts mehr zu fühlen.“ Aus den Akkorden wurde eine Melodie, und die Worte sprudelten aus ihm heraus. „Wie lang muss ich diesen Schmerz ertragen? Wie lang wird es dauern, bis ich wieder geheilt bin?“ Blöde Frage. Er würde nie geheilt sein, würde nie über Ella hinwegkommen.
Er stopfte seine Gitarre so wütend in die Tasche, dass die Saiten ein lautes Geräusch von sich gaben, als wollten sie protestierten.
Ella studierte die Speisekarte. Hier im Schwangau war alles furchtbar teuer, sogar das Schnitzel. Von allen Restaurants in der Stadt war dies hier Mims’ Lieblingsrestaurant. Ellas auch, obwohl sie, wenn sie denn mal ausging, meist ins Zelda’s ging – einerseits, weil ihr das Essen dort schmeckte, andererseits, weil Charley eine Freundin war und sie gerne ihre Freunde unterstützte. Dies hier war also ein eher seltenes Vergnügen.
Als Axel den Wein aussuchte, veranstaltete er ein großes Brimborium. „Da wir in einem deutschen Restaurant sind, sollten wir mit einem Rheinwein beginnen, oder was meinen Sie?“, fragte er.
„Das hört sich gut an“, stimmte sie zu, obwohl der Wein vermutlich an sie vergeudet war.
Sie war keine Weinkennerin. Abgesehen von einem gelegentlichen Huckleberry Martina im Zelda’s oder einem mit Rum verfeinerten Eierpunsch zu Weihnachten trank sie eigentlich nur Mineralwasser oder Saft. Allerdings vermutete sie, dass sie in Axels Augen ziemlich landeimäßig wirken würde, wenn sie ihm das beichtete. Und wenn er bereitwillig so viel Geld für Wein ausgeben wollte, würde sie ganz bestimmt nicht das
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