Merry Ex-Mas
verließen den Laden immer mit einem guten Gefühl.
„Eigentlich nicht“, antwortete Charley. „Ich wollte nur mal schauen, was es Neues gibt. Vielleicht einen Pullover. Oder eine neue Bluse, die ich zu meinem engen schwarzen Rock anziehen könnte, wenn ich im Restaurant arbeite.“
Noch vor Kurzem hatte Charley behauptet, sie würde keine neuen Sachen brauchen. „Na, wen willst du denn neuerdings beeindrucken?“, meinte Ella scherzhaft.
Dann fiel es ihr wieder ein. „Hm, du hast dich nicht zufällig mit Richard getroffen?“, hakte Ella vorsichtig nach. Im Grunde ging sie das ja gar nichts an.
Aber … seit Ella an den Frauenabenden bei Cass teilnahm, waren sie und Charley gute Freundinnen geworden. Gaben Freundinnen nicht aufeinander acht?
Charley beschäftigte sich auf einmal sehr intensiv mit einer weißen Seidenbluse. „Er hat mich Montag ins Firs eingeladen.“
„Oh.“
„Er behauptet, es täte ihm leid. Er möchte, dass wir es noch einmal zusammen versuchen.“
Wenn Jake mich bitten würde, es noch einmal miteinander zu versuchen, überlegte Ella, würde ich ihm eine zweite Chance einräumen?
„Natürlich will ich das nicht“, behauptete Charley.
„Wahrscheinlich ist das auch besser so“, meinte Ella. „Wenn er dich ein Mal betrogen hat, betrügt er dich bestimmt irgendwann wieder.“
Charley nahm die Bluse von der Stange. „Glaubst du, dass Menschen sich ändern können?“
Wenn sie es könnten, hätte Jake dann nicht aufgehört, überall und ständig mit anderen Frauen zu flirten? Wäre er ihr dann nicht treu geblieben? Und hätte er ihr nicht bewiesen, dass er es ernst meinte, indem er sich einen richtigen Job gesucht hätte, als der Musikladen dichtgemacht hatte, statt nur nachmittags ein paar Leuten Musikunterricht zu erteilen und in seiner Band zu spielen? Damit, Teenager zu unterrichten, die davon träumten, bei American Idol anzutreten, konnte man schwerlich seinen Lebensunterhalt verdienen, und in zehn Jahren würde er wahrscheinlich noch immer dasselbe machen – auf der Gitarre herumklimpern und seinem Vater im Herbst bei der Apfelernte helfen. Wenn er dann sechzig war, saß er in Seattle an einer Straßenecke und spielte dort Gitarre.
Oder in Nashville. Er war immer noch wild entschlossen, einen Hit zu landen und sich in die Musikmetropole aufzumachen. Es hatte mal eine Zeit gegeben, da hatten sie beide davon geträumt, dorthin zu ziehen. Er würde den Durchbruch schaffen. Sie würden sich irgendwo in der Stadt ein altes Haus kaufen, das Ella richtig schön dekorieren würde, und wenn er auf Tour ging, würde sie mitfahren.
Aber inzwischen war sie erwachsen geworden.
„Es gibt Menschen, die sich ändern“, sagte sie. Sie motten ihre Kleinmädchenträume ein und werden vernünftig.
Charley nickte nachdenklich. „Ich glaube, ich probiere die hier an.“
Die Bluse würde ihr gut stehen, vor allem, wenn sie ihre Haare hochsteckte, um ihren langen Audrey-Hepburn-Hals hervorzuheben. Ella reichte ihr eine Kette aus grauen Flussperlmuscheln. „Die würde toll dazu passen. Zieh dazu deinen schwarzen Rock und ein Paar hohe Schuhe an, und fertig ist ein umwerfendes Outfit.“
Charley nahm die Kette. „Warum nicht?“
Ein paar Minuten später kam sie aus der Umkleidekabine, um sich Ella zu präsentieren. „O ja.“ Ella nickte enthusiastisch.
„Finde ich auch“, meinte Charley lächelnd. „Gekauft. Das ziehe ich heute Abend zur Arbeit an.“
Wo Richard bestimmt auftauchen würde. Oh, Charley, sei vorsichtig . Ella überlegte, ob sie das laut sagen sollte. Vielleicht lieber nicht. Aber sie hätte es gern getan. Während sie kassierte, biss sie sich auf die Zunge.
„Ich weiß, was du denkst“, sagte Charley.
„Dass ich nicht will, dass du wieder verletzt wirst?“
„Keine Angst. Ich habe nicht die Absicht, mir von ihm wehtun zu lassen.“
Ella nickte. Charley war eine starke Frau, und sobald sie einmal eine Entscheidung getroffen hatte, stand sie auch dazu. Aber selbst die besten Vorsätze konnten in einem romantischen Nebel verloren gehen. Sie hoffte, dass Charley das nicht passierte.
Nachdem Charley mit ihren Errungenschaften den Laden verlassen hatte, wurde es wieder still. Ella gönnte sich eine zehnminütige Pause und zog einen Liebesroman unter dem Tresen hervor.
Eigentlich hätte sie sich gleich in die Geschichte vertiefen sollen, denn als sie zuletzt mit dem Lesen aufgehört hatte, hatten sich Ophelia und der Herzog gerade in einer sehr
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