Merry Ex-Mas
Trotzdem öffnete sie die Tür ein Stückchen weiter und ließ ihn herein.
Na wunderbar. Jetzt lässt du also im Austausch für einen Eierpunsch-Kaffee die Schlange wieder in dein Haus. Kluger Schachzug, Charley . Sie wandte Richard den Rücken zu und trank einen Schluck. Der Kaffee war besser als ihr Urteilsvermögen. „Was willst du, Richard?“
„Ich möchte, dass du mit mir frühstücken kommst.“
„Das möchte ich aber nicht.“
„Du hast doch Zeit. Es ist erst zehn Uhr.“
„Nur weil ich Zeit habe, heißt das noch lange nicht, dass ich auch Lust dazu habe.“ Ihr Telefon klingelte. Vom Klingelton gerettet. Wer auch immer es war, was auch immer der Anrufer wollte, er würde auf jeden Fall die perfekte Ausrede liefern, um ihren Ex loszuwerden.
„Äh, hallo, Charley, hier ist Bruno.“
Warum rief ihr Grillchef sie morgens um zehn Uhr an? Warum rief er sie überhaupt an? Wenn es ein Problem gab, müsste sie darüber von ihrem Küchenchef Harvey informiert werden.
Ihr schwante Böses. „Wo ist Harvey?“
„Das weiß ich nicht. Deshalb rufe ich ja an.“
„Was?“ Charley ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen. Ihr Küchenchef hätte seit sieben Uhr vor Ort sein sollen. Inzwischen hätte er sämtliche Lieferungen eingeräumt, die Gänse portioniert und die Küchenmannschaft auf das Abendmenü vorbereitet haben sollen. Stattdessen war da … Bruno. Der gute alte Bruno, der nie auf voller Flamme kochte. Und der drei Stunden gewartet hatte, ehe er sie angerufen hatte.
„Er ist nicht hier“, sagte Bruno. „Und im Kühlraum ist gähnende Leere. Der Schlachter hat sich nicht blicken lassen, und Sysco hat auch noch nicht geliefert. Ich habe keine Ahnung, was ich für das Essen heute Abend vorbereiten soll.“
Der Bürgermeister hatte eingeladen – dreißig wichtige Leute aus Wirtschaft und Politik, und sogar der Repräsentant ihres Regierungsbezirks würde anwesend sein. „Ich bin überzeugt davon, dass Sie uns ein wunderbares Menü servieren werden, Charley“, hatte Bürgermeister Stone zu ihr gesagt.
„Natürlich“, hatte sie ihm versichert.
„Natürlich“, hatte ihr Küchenchef ihr versichert. „Wir können ihnen gebratene Gans, gegrilltes Wintergemüse und zum Dessert einen traditionellen Feigenpudding servieren.“
Jetzt erzählte Bruno ihr, dass nichts geliefert worden war. Und damit war sie geliefert. „Ich komme sofort“, sagte sie und beendete das Telefonat. Sie rannte zur Tür. Den Kaffee hatte sie ebenso vergessen wie ihren Ex.
Richard kam hinter ihr hergelaufen. „Charley, was ist los? Wo willst du hin?“
Die Frage war nicht, wo sie hinwollte, sondern wo sie landen würde. In Teufels Küche. „Mein Küchenchef ist nicht aufgetaucht.“ Richard antwortete etwas, doch sie hörte gar nicht hin. Sie war zu sehr damit beschäftigt, in Panik zu geraten. Das war eine Katastrophe. Dank Harveys Abtauchen konnte sie dichtmachen. Sie rannte zum Auto und versuchte noch beim Laufen, Harvey anzurufen. Sein Telefon klingelte. Und klingelte. Und klingelte weiter. Schließlich sprang der Anrufbeantworter an. „Harvey, wo bist du, verdammt noch mal?“
Als müsste sie noch fragen. Sie wusste es genau. Harvey hatte sein Versprechen, zu den Anonymen Alkoholikern zu gehen, nicht gehalten. Harvey trieb sich mit seinem besten Freund, José Cuervo, herum. Harvey hing mal wieder an der Flasche. Erst vor zwei Wochen hatten sie darüber gesprochen, als Charley ihn dabei erwischte, wie er sich an der Bar bedient hatte. Für seine Soße, hatte er behauptet. Doch die Fahne, die sie gerochen hatte, war eindeutig gewesen. Seine kulinarischen Kreationen waren nicht die einzigen, die mit Schuss waren. Sie hatte ihm noch eine Chance eingeräumt; jetzt würde sie ihm am liebsten ein blaues Auge verpassen. Oh, sie würde diesen kleinen Mistkerl umbringen! Einen Teller auf seinem Kopf zu zertrümmern würde sich bestimmt prächtig anfühlen.
Andererseits: Wer war denn der Dummkopf gewesen, der ihm noch eine Chance gegeben hatte? Genau. Sie war diejenige, die bestraft werden müsste.
Normalerweise herrschte am Samstagmorgen in der Küche des Zelda’s rege Betriebsamkeit. Das Personal schnitt Tomaten, wusch Salat, stellte Desserts in den Ofen, schnitt das Steakfleisch und wog es ab. Doch als Charley heute in die Küche kam, lehnte nur Bruno an der Arbeitsplatte. Er trug zwar eine weiße Küchenchefjacke, sah aber eher wie ein verwirrter Patient aus, der nicht wusste, wie er hierher gelangt war. Neben
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