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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Mütter alles von ihnen wußten… So war es halt eben nicht, aber so sollte es, in einer idyllischen Traumwelt, eigentlich sein.
    Sie schnitt die halbe Banane in Annas Schüssel, und das Getrommel hörte auf.
    »Und was wird mein Annielein heute tun? Du wirst heute zur Schule gehen, nicht wahr?«
    Anna hatte ihren Löffel fallengelassen und schnappte sich eine Handvoll Banane. Harriet drückte ihr die Faust auf, kratzte den Schmier in die Schüssel zurück und vermischte ihn mit dem Müsli.
    »Wir werden einen Ausflug unternehmen«, sagte Liese. »Wenn das Wetter anhält, organisiert die Schule eine Wanderung durch den Wald. Wir sammeln Farnkraut.«
    »Eine Fahrt mit der Straßenbahn in den Wald, Annielein? Das wird aber Spaß machen.«
    Harriet zog Anna die bananenverschmierten Finger vom Mund weg, wischte sie ab und legte sie über den Griff des Löffels. Sie führte den Löffel in die Schüssel. Anna konnte völlig selbständig essen, aber dies war einer dieser speziellen Morgende, da sie das Baby spielte.
    »Warum kommst du nicht mit?« fragte Liese. Sie schenkte sich Tee nach. »Nimm einen Tag frei. Eltern aller Art sind eingeladen.«
    »O Liese, ich wünschte, ich könnte es.«
    »Du kannst es, Har’. Bloß einen Tag. Unikhem könnte einen Tag ohne dich überleben.«
    Anna belud ihren Löffel, konzentrierte sich und fand den Weg zum Mund. Sie war ein bezauberndes Kind, hatte samtig-goldene Haut und dunkle, strahlende Augen, so rund wie die Augen eines schwarzen Babies, und das leichte Lächeln ihres Vaters. Sie zog den Löffel zurück. Ein großer Teil der Bananenmischung kam zusammen mit dem Löffel heraus und rutschte vorn an ihr herab. Harriet wischte alles auf und tat es zurück in die Schüssel.
    »Ruf an«, sagte Liese. »Wenn du magst, tu ich es. Sag ihnen, du seist krank, Har’. Annie hätte dich liebend gern dabei.«
    »Liese, nicht. Das ist so verlockend.«
    Liese trank ihren Tee und gab keinen Kommentar ab. Sie war eine außergewöhnliche Frau, klug und freundlich. Der Tee, den sie trank, war typisch für jemanden wie sie: klug und freundlich. Sie liebte Anna, und im besten Sinne liebte sie Harriet gleichfalls. Und der nicht abgegebene Kommentar war in sich selbst ein Kommentar.
    Es war nicht fair. Sie hatte ihre Arbeit aufgegeben, weil sie es so gewollt hatte. Ihr gefiel die Wohnung, und sie hielt diese sauber und aufgeräumt. Ihr gefielen anstrengende, jedoch einfache Aufgaben mit raschen, klaren Erfolgserlebnissen. Sie wollte gern gefallen. In einem anderem Zeitalter wäre sie ein wundervoller Gatte, eine wundervolle Ehefrau, ein wundervoller Butler, Hausmeister, eine wundervolle Zofe einer Dame gewesen, ganz im Gegensatz zu Harriet. Harriet trank ordinären Kaffee.
    Sie brachte Anna durch das Frühstück, wusch das Kind und setzte es mit seinem Dreirad auf den Balkon. Schnaufend und ernst fuhr Anna die drei Meter hin und zurück. Die Sonnenstrahlen fielen schräg auf den südöstlich gelegenen Balkon.
    Harriet sammelte ihre Notizen aus der vergangenen Nacht vom Klavier und stopfte sie in ihre Tasche. Wie oft kam sie dieser Tage zum Spielen? Fast nie. Dort draußen gab es erstaunliche neue Musik, aber Liese gefiel es, wenn sie bei Chopin blieb.
    »Es wird heiß werden«, sagte sie zu Liese. »Du nimmst besser ein Mückenschutzmittel mit.«
    Liese hatte mit Sahnekäse und Salami gefüllte Brioche-Sandwiches gemacht. Sie reichte sie ihr zusammen mit einem Apfel. »Wie üblich zurück?«
    »Wüßte nicht, warum nicht.«
    »Viel Glück mit Fovas.«
    Harriet hielt gekreuzte Finger hoch. »Ich werd kühlen Kopf bewahren.«
    Professorin Andrea Fovas war Harriets Chefin, Leiterin von Unikhems Syndrom-Forschungsabteilung. Von den Körperöffnungen her gesehen eine Frau, ansonsten jedoch kaum.
    Harriet ging auf den Balkon hinaus. »Tschüs, Annielein. Sei brav bei Tante Liese. Einen schönen Tag.«
    Anna sah nicht auf. Sie schnaubte unentwegt weiter. Harriet kehrte in die Küche zurück, nahm ihre Aktentasche und küßte Liese auf die Wange.
    »Ich werde auch brav sein«, sagte Liese.
    Unikhem hatte einen Protzbau mitten in die Stadt gestellt, nahe der alten Stadtmauern – Spiegelglas-Verkleidung, Atrium-Foyer mit Dschungelblattwerk und einer zehn Meter hohen Fontäne. Auf einem vom Fußboden bis zur Decke reichenden Bildschirm, durch den man hindurchtreten mußte, wenn man hineinwollte, stand SYNDROM-FORSCHUNGSABTEILUNG. Auf der anderen Seite und jenseits des Foyers und einem letzten Paar schicker

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