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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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sein?«
    »Nein. Keinesfalls. Sie haben zwar miteinander zu tun, sind jedoch verschiedene Paar Schuhe.« Sie zögerte und hob die Schultern. »Jede neue Erkenntnis hilft. Mehr als das würde ich nicht dazu sagen.«
    »Aha. Schade.« Er schrieb kurz. »Also hängt jetzt alles an diesem Dr. Fateya und woran er sich nach fünfunddreißig Jahren erinnert. Wollen wir hoffen, daß er uns wohlgesonnen ist.«
    »Michael sagt, die Antwort sei englischer Whisky. Vorzugsweise einer mit Namen Johnny Walker. Ich habe eine kleine Halbliterflasche in der Küche. Es ist schmutzig, einen alten Mann betrunken zu machen, aber…«
    Das Telefon klingelte. Harriets Blick flackerte zur Seite. Anna?
    »Allerdings: aber.« Mark schloß seinen Federhalter.
    Harriet nahm den Anruf entgegen, sorgsam darauf bedacht, nicht eilig zu wirken. Anna tauchte auf dem Bildschirm auf. Tante Liese hatte eine Überraschung für sie vorbereitet: eine Jungen-Puppe mit Haaren, die man zu einem Pferdeschwanz kämmen konnte. Sie nannte ihn Sam. Elvis haßte Tante Lieses Wohnung. Er hatte in sein Körbchen gepißt, und er war seit ihrer Ankunft unter dem Bücherregal verschwunden. Tante Liese sagte, Katzen seien Tiere mit eigenem Territorium, und sie müßten ihm Zeit lassen, sich an die Wohnung zu gewöhnen. Tante Liese ließ liebe Grüße ausrichten. Annie ebenfalls.
    Mark hatte seine Papiere weggesteckt. Harriet war nach dem Anruf besser zumute. Liese gelang der Wechsel von der Mit-Erzieherin zur liebevollen Tante ebenso gut, wie ihr alles andere gelang. Annie ging es gut. Die Fahrt nach Erzurum wäre für sie und Mark die erste Zeit, die sie allein zusammen verbrachten.
    Sie packten zu Ende. Ende Oktober konnte es in der nördlichen Türkei schon sehr kalt sein. In Erzurum, in den Vorgebirgen, könnte es geschneit haben, und wenn sie zu den Ruinen des Biberianischen Zentrums weiterführen, wären sie in etwa 4000 Metern Höhe. Nach dem Packen führte Mark sie zum Essen aus. Sie speisten gut. Michael hatte beide davor gewarnt, daß sie, sobald sie Ankara und die Fischerdörfer des Schwarzen Meeres hinter sich gelassen hätten, Ziege erwarten durften, die vorgab, Hammel zu sein, sowie Yogourdi – salzigen einheimischen Yoghurt – zu allem und jedem.
    Sie gingen früh zu Bett – sie hatten für sechs Uhr dreißig ein Taxi zum Flughafen bestellt. Sie schliefen miteinander. Harriet hatte nicht erwartet, den Wunsch danach zu verspüren, aber Mark neben ihr im Bett war sehr überzeugend. Sie spürte, wie sie sich ihm öffnete, und leistete keinen Widerstand. Durch ihn fühlte sie sich geborgen. Sie teilten Gefühlsexplosionen, Musik, Frieden. Anschließend, als sie gerade einschlafen wollte, fiel ihr Liese ein. Sie fragte sich, wie Liese es aushielt. Der einzige Unterschied zwischen ihnen bestand darin, daß Liese gewöhnlich und sie hübsch war.
    Der morgendliche Flug nach Ankara verlief ereignislos, drei Stunden in einem methanolgetriebenen Airbus. Von Ankara nahmen sie einen Hubschrauber nach Erzurum. Der Flughafen von Ankara, obgleich moslemisch angehaucht, erwies sich als typischer öffentlicher Platz des Bevölkerungsrückgangs. Frauen erledigten alles, und weit und breit war kein einziger Tschador zu sehen. Sie verließen das Gebäude nicht und sahen kein Anzeichen der kürzlichen blutigen Aufstände.
    Flughafen Erzurum, 800 Kilometer weiter im Osten, lag in einem völlig anderen Jahrundert. Das Gesetz gegen den Tschador war noch nicht so weit vorgedrungen. Die Frauen, die im Büffett bedienten und abräumten, waren von Kopf bis Fuß in Gewänder gehüllt. Bewaffnete Männer stolzierten lächelnd zwischen ihnen einher und beaufsichtigten ihre Arbeit. Unmöglich, daß sich die Aufstände der Hauptstadt hier wiederholen würden. Erzurum war Garnisonsstadt. Die türkische Armee akzeptierte Frauen, jedoch trugen nur die Männer – alternde Offiziere, Sergeanten und Korporale – Waffen.
    Harriet hatte sich hierauf vorbereitet. Sie trug eine lange, locker fallende Hose, einen Steppmantel und hatte sich ein großes Kopftuch umgeschlungen und widerte sich selbst an. Das war keine Höflichkeit den örtlichen Sitten gegenüber, das war rückgratlose Einwilligung. Es war Kollaboration bei einer systematischen Unterdrückung.
    In Erzurum regnete es. Sie waren tief hereingeflogen, einen steilen Bergpaß mit fiedrigen, blattlosen Bäumen sowie Häusern unter tief herabgezogenen Dächern mit breiten Giebeln. Das Ganze hatte seltsamerweise wie ein traditioneller

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