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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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chinesischer Druck gewirkt. Dieser zarte, blasse Eindruck erstarb beim Verlassen des Flugzeugs. Vom Flughafen aus erreichte man die Stadt über eine schnurgerade Lehmstraße zwischen lehmbeworfenen Bruchbuden entlang, an denen der Lehm im Regen herablief. Ein gewaltig lärmendes Dieseltaxi brachte sie zum besten Hotel der Stadt. Mark hatte auf dem Hotel bestanden. Sie waren geschäftlich dort, mußten irgendwo eine Bleibe haben, die ein Minimum an Ansteckungsgefahr und etwas Bequemlichkeit bot. Einzigartige lokale Lebensstile konnten sie auf einer anderen Reise studieren.
    Beim Erreichen der Stadt wies ihr Fahrer auf die Ruine eines Betonturms und sagte, dies sei das Hilton gewesen. Harriet fragte nicht nach, ob der Schaden durch eine Erdsenkung oder durch Bomben entstanden war. Wie sie wußte, war die islamische Welt durch den Bevölkerungsrückgang schwer angeschlagen worden, aber so etwas hatte sie nicht erwartet. Sie war an Ordnung gewöhnt, in ihren Beziehungen, in ihrer Arbeit, am meisten an die materiellen Strukturen ihres geschäftigen, nordeuropäischen Lebens. Erzurum kehrte anscheinend zusehends zu den ursprünglichen Elementen Erde und Wasser zurück. Und auch zum Feuer – Rauch stieg aus zahllosen Lehmziegelkaminen, Zelten und Pfannen auf offener Straße empor. Beißend und grau in dem ewigen Nieselregen trieb er in Dachhöhe dahin.
    Sie wurden zum Paradies-Hotel im Stadtzentrum gebracht. Schlamm und Dreck brodelten auf den Straßen draußen. Das Minimum an Ansteckungsgefahr und etwas Bequemlichkeit? Harriet und Mark mieden den Blick des anderen. Während eine bis in Hüfthöhe schlammbespritzte Bedienstete ihr Gepäck hineintrug, bot ihnen ein Türke, der ein altertümliches Französisch sprach und einen schmierigen Tarbusch trug, an, sie für 300 Euros zu wiegen und zu messen. Wäre Harriet länger geblieben, so wäre sie vielleicht um der Zukunft altertümlicher, frankophoner Höflichkeiten willen einverstanden gewesen.
    Der Mann an der Rezeption war ebenfalls altertümlich. In jedem anderen Jahrzehnt hätte er seinen Perlenkranz am Feuer irgendeiner Tochter bemüht. Er sprach ein zahnloses Französisch, Deutsch oder Griechisch – vielleicht auch Farsi für seine dunkelhäutigeren Gäste –, und Mark versuchte es mit Deutsch. Sie schrieben sich ein, und ein weiblicher Page in schweren Gewändern führte sie auf ihr Zimmer. Man hatte ihnen verboten, ihr ein Trinkgeld zu geben, aber Mark gab ihr trotzdem eins. Das Hotelgebäude stammte zwar aus dem dritten Jahrtausend und hatte gläserne Aufzüge und Videoüberwachung auf allen Fluren, aber vor kurzem installierte Holzöfen heizten die Schlafzimmer. Das improvisierte Ofenrohr aus rostigem Eisenblech in Mark und Harriets Zimmer war brüchig und leckte. Mark öffnete das Fenster und ließ den Nieselregen sowie den jäh einsetzenden abendlichen Ruf des Muezzins ein.
    Es war ein langer Tag gewesen. Im Hotelrestaurant aßen sie eine passable Mahlzeit – Mark hatte den Verdacht, beim Kanincheneintopf handele es sich um Katzeneintopf, doch Harriet war zu müde, sich deswegen Gedanken zu machen – und gingen zu Bett. Am Morgen war der Ofen ausgegangen, die Vorhänge waren feucht, und der Muezzin weckte sie früher, als ihnen lieb gewesen wäre, aber sie hatten gut geschlafen. Das Frühstück bestand aus amerikanischen Cornflakes und türkischem Yogourdi. Tee kam ohne Milch in kleinen, bauchigen Gläsern mit Würfelzucker darin auf den Tisch. Er war gut.
    Der Regen hatte aufgehört. Sie holten die Mäntel aus ihrem Zimmer, und Mark steckte diskret den Johnny Walker in die Tasche. Vor dem Hotel fuhren männliche Taxifahrer betagte Diesel-Volvos auf und ab, wobei sie sich aus dem Fenster lehnten und mit kurzen Stöcken gegen das Türblech schlugen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Mark und Harriet beratschlagten sich. Michael Volkov hatte sie gewarnt, daß die Taxis nach dem Bus-Prinzip fuhren, also Fahrgäste ein- und aussteigen ließen und das Ziel den Stimmgewaltigsten anpaßten. Fahrradrikschas waren für ausländische Besucher sicherer, wurden jedoch von abgehärmten Mädchen mit grauen Beinen und Füßen und bauschigen schwarzen Gewändern bewegt. Harriet prüfte die Alternativen und wollte zu Fuß gehen. Mark sagte zu ihr, auf sich selbst gestellt würden sie Dr. Fateyas Haus niemals finden. Sie nahmen eine Fahrradrikscha. Mark zeigte der Fahrerin die Adresse, die Michael für ihn aufgeschrieben hatte. Viele Fahrgäste waren fetter als sie,

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