MERS
überreagierst. Asgeirson war am Sonntag doch ziemlich freundlich.«
»Magnus gehört dem Marketing an. Er würde niemals darüber sprechen, aber ich habe das Gefühl, er war froh darüber zu sehen, wie Brandts Arbeit mit Primaten den Bach hinuntergegangen ist. Wie dem auch sei, am Sonntag ist es nur ums Geschäft gegangen. Natürlich war er freundlich – er will den Impfstoff-Vertrag.«
»Genau das meine ich. Du solltest die offene Annäherung versuchen. Sprich mit Magnus! Er möchte das Geschäft. Wenn er mit jemandem unten beim Windstrohm ein Wörtchen redet, können sie dir alles Nötige zufaxen.«
War sinnvoll. Aber ich ging trotzdem hin.
Falls ich anfragte und zurückgewiesen würde, wäre Brandt offensichtlich aufgeschreckt, und ich bekäme überhaupt keine Chance, mich einzuschleichen. Aber Mark hatte recht. Sie würden sich nicht weigern, sie wollten das Geschäft. Und in diesem Fall würde mein heimliches mitternächtliches Anschleichen eine Katastrophe auslösen. Ich konnte mich vielleicht an irgendeinem schnatternden Mädchen am Empfang vorbeiquatschen, aber da wäre noch immer Brandts Personal-Computer, und die Wahrscheinlichkeit war sehr hoch, daß er darauf programmiert war, beim ersten Blick auf meine alte Kennkarte als freie Mitarbeiterin die Alarmglocken schrillen zu lassen. Und wenn in diesem Augenblick alles schiefginge, würde es auch dabei bleiben. Warum also nahm ich Marks Ratschlag nicht an und telefonierte mit Magnus?
Darauf gibt es eine einfache Antwort. Es gab auch andere Antworten, und die gab ich Mark, aber dies ist die wahre: Ich wollte eine tapfere junge Mutter sein. Ich wollte durch die Nacht jagen und den widrigen Umständen die Stirn bieten und meine wunderschöne Tochter retten. Das war meine Sache. Wenn ich mit Magnus gesprochen hätte, und er mit Windstrohm, und wenn Windstrohm mir die Ergebnisse zugefaxt hätte und ich die Ergebnisse an Annies Entführer weitergefaxt hätte, und sie hätten Annie freigelassen, dann wäre ich um den mir zustehenden Platz betrogen worden. Ich mußte meinem Glauben an die Rechtmäßigkeit entsprechend leben, meinem Glauben an das Muster, an die kosmische Ordnung. Am Windstrohm hatte alles angefangen, am Windstrohm sollte alles enden.
Das hört sich doof an. Zur damaligen Zeit dachte ich jedoch nicht so. Zur damaligen Zeit dachte ich gar nicht, sondern gab Mark Antworten. Das habe ich mir seitdem überlegt. Ich meine, ich muß einen Grund gehabt haben.
Ich muß auch einen Grund dafür gehabt haben, Mark am Mitkommen zu hindern.
»Ich komme mit«, sagte er.
»Wozu? Du solltest hier sein, für den Fall, daß sie mit uns in Verbindung treten wollen.«
»Ich habe ein Mobiltelefon. Das weißt du.«
Ich wußte es. »Was kannst du dort unten erreichen, das ich nicht erreichen könnte?«
»Zwei Köpfe sind besser als einer, altes Haus. Ebenso zwei Paar Hände.«
»Besser bei was? Besser dabei, einen Ordner mit Ergebnissen aus einem Safe zu holen?«
»Was ist, wenn die Entführer wissen, wo die Ergebnisse sind? Was ist, wenn sie auf dich warten?«
»Was ist dann?« Allmählich verzweifelte ich. »Du bist kein Mr. Macho. Bei einem Kampf zwischen dir und Milhaus wüßte ich, auf wenn ich zu setzen hätte.«
»Wärst du auch nur einen Deut besser?«
»Ich würde es erst gar nicht versuchen. Und wenn es zu einer Schießerei kommt, sind wir besser getrennt. So überlebt einer von uns für Annie.«
»Ich möchte dort sein.«
»Ich möchte dich hier haben.«
»Nein, Harriet.«
»Ja, Mark.«
Was konnte er erwidern? Eine Frau muß tun, was eine Frau zu tun hat. Ich meine, ich muß einen Grund gehabt haben.
Einen Grund: laut Liese ist es eine statistische Tatsache, daß jede Auseinandersetzung zwischen Frauen weniger wahrscheinlich in tatsächlichem körperlichen Schaden resultiert als jede Auseinandersetzung zwischen Mann und Frau oder Mann und Mann. Sehen Sie mal, was aus dem Krieg geworden ist.
Spät am folgenden Morgen fuhr ich mit dem Wagen los. Mark tat für mich, was er tun konnte. Er ging früh weg und kehrte mit einem elektronischen Gerät zurück, das den Magnetcode auf meiner Personalkarte von Brandt durcheinanderbrachte. Er kehrte ebenfalls mit einem K.O.-Aerosol zurück, das auf die Nerven wirkte, sowie Schutzkapseln, die ich dreißig Minuten vor einer Situation, in der ich das Aerosol anwenden wollte, einnehmen müßte. Ich fragte ihn, ob er das Handbuch für weibliche Spione gelesen hätte. Ich wußte, was diese Kapseln
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