MERS
bewirkten, und der Effekt wäre nicht wünschenswert. Aber ich nahm Aerosol und Kapseln mit. Alles andere wäre undankbar gewesen.
Mark benutzte gleichfalls sein faulig riechendes Lösungsmittel, um meine Wanzen zu entfernen. Wir wußten nicht mehr, wer ihnen nachspürte, ob Martons Bande oder Milhaus’ Bande, aber es war sinnlos, ein Risiko einzugehen. Ich konnte mich nicht mit Gussos Schutzschilden abplagen. Das Abwischen der Wanzen wäre symbolisch. Ich könnte es nie rückgängig machen. Ich hatte den Ast, auf dem ich saß, abgesägt.
Es war eine lange Fahrt den Windstrohm hinab, und Yvette hatte mir eine Mahlzeit zubereitet, die ich im Wagen zu mir nehmen sollte. Wir hatten sie über das Drama aufgeklärt, und sie war mit Mark einer Meinung, daß er mich begleiten solle. Er war, ein altmodischer Hinweis, ein Mann. Vierzig Jahre hatten wir schon den Bevölkerungsrückgang, und wer hatte ihr so etwas beigebracht? Ihre Pariser Mutter?
Obgleich der Wagen langsamer als der Zug war und die Fahrt hin und zurück Marks November-Zuteilung an Treibstoff kosten würde, wählte ich ihn, weil es keinen anderen Weg gab, wie ich um zwei Uhr in der Frühe zu Brandt hätte gelangen können. Von der Station war es ein drei Kilometer langer Fußweg, und der Zubringer zur Hauptlinie verkehrte zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens nicht.
Die Fahrt hinab ist meinem Gedächtnis völlig entfallen. Wenn die Wirklichkeit nur das ist, was wir unseren Sinnen entnehmen, so hat die Fahrt nicht stattgefunden. Ich fuhr aus der Garage hinaus, und ich fuhr nach Eckert hinein. Teleportation. Unterwegs vereinigten sich die Moleküle von Yvettes Mahlzeit mit meinen eigenen Molekülen.
Es war sechzehn Uhr dreißig an einem traurigen Novembertag. Die malerischen Kirschbäume, die sich am Eckert entlangzogen, waren blattlos, nicht malerisch, und die schmucken Ligusterhecken waren verschrumpelt und hatten sich in der Kälte wie Skrotums (Skrota?) zusammengezogen. Ich war dort, weil ich mich dazu entschlossen hatte, daß bis zwei Uhr morgens Julius Stollman meine Zufluchtsstätte wäre. Ich hatte ihn nicht gefragt, aber er würde mich nicht wegschicken.
Anka Stollman war gestorben. Ihr bio-engineertes Geflüster war, wie vorauszusehen gewesen war, zu Krebs und Verstummen mutiert, und Julius lebte allein in dem hohen, alten Haus. Ich glaube, wir haben einander geschrieben, und ich hatte ihn zweimal seit Papas Beerdigung besucht, während ich oben am Fluß bei Brandt arbeitete. Er kam niemals in die Stadt. Für liebste Freunde war das nicht viel, aber genau das war er: mein liebster Freund.
Ich parkte den Wagen draußen vor dem Haus. Der Tag war traurig, das Haus ebenfalls. Die Abenddämmerung verbarg viel, aber die erste Stufe der steinernen Vordertreppe war zerbrochen und wurde in der Mitte von einem Ziegelstein gehalten, und das Küchenfenster im Erdgeschoß war zum größten Teil von den kahlen, sehnigen Strünken irgendeines wuchernden Unkrauts bedeckt. Die Vorhänge im Wohnzimmerfenster darüber waren zugezogen und schimmerten in einem dumpfen Rot vom Licht dahinter. Schwach, hoch und dünn vernahm ich Musik. Der Stuk an der georgianischen Eingangshalle war kurz davor, herabzufallen.
Ich zog an der Klingel. Es war eine altertümliche Anordnung aus Drähten, die über Rollen durch Kanäle zwischen den Deckenträgern verliefen. Sie betätigten eine aus einer Reihe von Glocken an den Vorsprüngen hoch droben an der Mauer, oberhalb der Küche im Souterrain. Von dort aus, wo man stand, von der Türmatte aus, hatte man die Glocke stets läuten gehört, und zwar scheinbar unter den eigenen Füßen. Während ich jetzt jedoch leicht an die Tür gelehnt dastand und horchte, vernahm ich nichts weiter als die Musik. Die Tür gab etwas nach, ich öffnete sie weiter und ging hinein. In der Luft lagen alte Gerüche nach Moder und Essen. Im Sommer hatte ich immer meinen Sonnenhut an den Eckpfosten des Geländers gehängt. Im Winter hängte ich meinen gesteppten Parka an den Hutständer aus Geweihen. Heute, vorgefahren mit dem Wagen – ich war eine erwachsene Dame –, trug ich keines von beidem.
»Julius?« rief ich. »Ich bin’s, Harriet.«
Ein Stuhl im Wohnzimmer bewegte sich. »Ich bin hier!«
Ich ging zu ihm hinein.
»Gott, verdammt noch mal, Harriet, du hast gehört, wie ich den Kessel aufgesetzt habe.«
Der Tag war traurig, ebenso das Haus, und jetzt auch, für mich, dieses Zimmer. Nicht jedoch Julius. Er saß in der Ecke eines der
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