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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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wie er diagnostizieren. Aber er setzte mich hin, hörte meiner Geschichte zu und prüfte meine Lebensfunktionen ebenso aufmerksam, als ob ich ein neuer Patient für ihn sei. Er ist einer jener Ärzte, die einem genügend Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Es ist nicht so sehr die Zeit, die er einem widmet, sondern vielmehr die Qualität dieser Zeit. Während seines ganzen Lebens, ob an der Bettkante oder auch nicht, hat er meiner Ansicht nach stets mit voller Aufmerksamkeit hingesehen und hingehört.
    Nach dem Ende seiner Untersuchung trat Mark ein, der gerade die Säge weggeschafft hatte. Sie gingen zusammen los, um mein kleines Wohnzimmer zu inspizieren. Bei seiner Rückkehr spähte mich Hannes nachdenklich über seine Brille aus dem letzten Jahrhundert an.
    »Harriet, meine Liebe, Sie stehen leicht unter Schock. Das muß ich Ihnen nicht sagen. Und mein Rezept brauche ich Ihnen ebenfalls nicht zu sagen – Ausruhen, ruhige Gedanken, fester Schlaf heute nacht. Unterstützt vielleicht von einer leichten Hypnose…?«
    Seine Stimme erstarb zu einem Gemurmel. Er hatte nicht zu Ende gesprochen.
    »Vor dem Eintreffen der Polizei verordne ich Ihnen gleichfalls unordentlichere Kleidung – vielleicht sogar einen zerrissenen Ärmel, wenn Sie das ertragen können. Ein fester Schlaf braucht keinen polizeilichen Verdacht… O ja, und ich schlage vor, Erde und Fichtennadeln auf dem Fußboden zu verstreuen. Kriminelle Eindringlinge putzen sich nicht die Schuhe ab.«
    Ich starrte ihn verlegen an. Mark und ich waren verflucht schreckliche Verschwörer.
    Mark sagte: »Tut mir leid, Hannes. Wir hätten Ihnen die Wahrheit sagen sollen. Es wäre beleidigend, wenn wir’s nicht täten. Aber sehen Sie, folgendes ist wirklich geschehen…«
    Hannes brachte ihn mit einer großen, vierschrötigen Hand zum Schweigen, wie ein Verkehrspolizist. »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, und ich kann Ihnen damit auch nicht weh tun, falls ich befragt werde. Und was alles übrige angeht, so sind Sie meine Freunde, und wenn Sie die Polizei täuschen müssen, so vertraue ich Ihnen und Ihren Gründen.« Er wölbte die Schultern. »Hier ist ein krankes Gehirn am Werk. Ich möchte Ihnen bloß helfen.«
    Ich stand auf und umarmte ihn. »Sie helfen uns wirklich. Wir sind Ihnen sehr dankbar.«
    »Dankbarkeit brauche ich nicht.« Er umarmte mich seinerseits, ganz Tweed und Trost. »Ihr seid liebe Leute. Ich brauche lediglich, daß Euch nichts zustößt.«
    Wir wollten ihn zum Bleiben veranlassen, ihm ein Glas Wein, Kekse oder etwas Obst anbieten, aber er sagte, er sei über seine Zeit zum Schlafengehen hinaus. Über meine ebenfalls, fügte er hinzu, nach dem Trauma dieses Abends. Wenn wir den Einbruch der Polizei melden wollten, sollten wir es rasch tun.
    Er blieb am Vordereingang stehen und fuhrwerkte mit seiner altmodischen Arzttasche herum. »… Sorgen Sie dafür, Harriet, daß es nicht zuviel und zu wenig ist, wenn Sie eine Beschreibung Ihres Eindringlings abgeben. Und daß es das ist, was die Polizei Ihrer Ansicht nach hören sollte.« Er schüttelte Mark die Hand. »Und diese Flecken versengter weißer Türfarbe auf ihrem Jackett, mein Junge« – Mark blickte schuldbewußt an sich hinab –, »ich schlage vor, sie sind damit in Berührung gekommen, als Sie die Tür geschlossen haben, nachdem Sie den Eindringling davongejagt haben. Meinen Sie nicht?«
    Mark grinste. »Ich glaube schon.«
    Hannes hielt ihn weiter bei der Hand. »Ich spaße nicht. Die Polizei zu täuschen ist eine ernste Angelegenheit. Das muß man ernsthaft in Angriff nehmen.« Er wandte sich zum Gehen. Auf dem Weg die Treppe hinab sagte er über die Schulter: »Ich werde mir Sorgen machen. Rufen Sie mich morgen früh an. Das wird keinen Verdacht erregen, Ihren Arzt anzurufen…«
    Wir sahen ihm zu, bis er im Wagen saß, daraufhin schlossen wir den Vordereingang.
    Ich war besorgt. »Wir hätten ihm sagen sollen, was geschehen ist. Was wird er jetzt denken?«
    »Er denkt, wir kennen den Eindringling.« Mark ging gleich durch bis zum Telefon in seinem Arbeitszimmer und steckte seine Telefonkarte hinein. »Es war vielleicht ein Freund, und wir decken ihn oder sie. Was mehr oder weniger der Wahrheit entspricht.«
    Ich folgte ihm, während er wählte. »Sergeant Milhaus ist keine Freundin.«
    Er streckte die Hand aus und streichelte mir die Wange. »Ich glaube kaum.«
    Ich hörte das Tuten. Schließlich antwortete jemand auf dem Polizeirevier.

    »Was werden wir tun,

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