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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Dagegen hatte sie nichts. Sein Verbrechen bestand in seinem Mann-Sein – sie verstand nicht, warum Harriet nicht bei der vernünftigen Liese geblieben war. Dieser Tage behauptete sie, homosexuell zu sein, was eine Menge erklärte.
    »Ich bin’s, Mama. Ich bin schwanger.«
    »Das ist schön, Liebes. Weißt du, wer der Vater ist?«
    Sie meinte das nicht komisch, und deswegen mußte man lachen.
    »Ich werde meine Examensarbeit beenden, Mama. Dann habe ich eine Bewerbung bei Unikhem laufen. Sie werden mich für die Doktorarbeit bezahlen.«
    »Und ein Baby? Nicht, wenn es Männer sind, dann nicht.«
    »Sie werden’s tun müssen. Ich bin die beste Bewerberin.«
    Bess hatte ihre Zweifel. »Letzte Woche habe ich mit deinem Bruder gesprochen. Er kann gut für sich selbst sorgen.«
    »Mama – welchen Namen soll ich deiner Enkelin geben?«
    »Nenn sie Anna. Deiner Oma würde das gefallen.«
    Harriet rief weitere Leute an, Freunde, aber sie waren alle in der Arbeit. Daniel war an der Reihe. Karl konnte warten. Es war an der Zeit für einen Umzug, und vielleicht würde sie es ihm überhaupt nicht sagen. Er entsprach keiner von Dr. Vrielands Beschreibungen. Er hatte keine Ehefrauen und keine Kinder, die ihm bekannt gewesen wären, und er sagte, er würde sowohl das eine wie das andere begrüßen. Aber er war eine Spielernatur – er selbst hätte das einen ›freien Geist‹ genannt –, und seine verschiedenen Geliebten hatten die Anzeichen rechtzeitig erkannt, Harriet eingeschlossen. Darum hatte sie jetzt seine Tochter: anders als ihr Vater Johan stellte er keine Daseinsfragen und wollte nicht angelogen werden. Er war sich sicher. Er würde seinen freien Geist bis aufs Äußerste mit allem verteidigen, was dazu erforderlich wäre.
    Sie hob den Hörer, um Daniel anzurufen, und legte wieder auf. Vor vier Jahren, nach der Beerdigung ihres Vaters, hatte er sie und Mama verlassen, war die School Lane entlanggegangen, der einsamste Mensch der Welt. Seitdem hatten sie einander angerufen und sich geschrieben. Er schickte ihr eine traditionelle goldene, gräßliche Kette zum einundzwanzigsten Geburtstag. Getroffen hatten sie sich jedoch nie. Sie arbeitete in ihrer Stadt, und er arbeitete in seiner Stadt.
    Mama hatte sich geirrt, als sie gesagt hatte, Daniel könnte gut für sich selbst sorgen, und sie wußte das. Die kleinen Beförderungen in der Armee waren längst Schnee von gestern. Offensichtlich gab es Auseinandersetzungen. Harriet fragte ihn niemals danach, und er tat nie mehr als anzudeuten, daß sein Kommandant ein Ostler war, der Westler haßte. Vor einigen Monaten war er nach Beendigung seines neunjährigen Vertrags auf Anraten eines Freundes mit Namen Breitholmer gegangen und einer der privaten Sicherheitsagenturen beigetreten. Er war jetzt in der Stadt stationiert und hatte eine Adresse, Pike Street 17, nicht weit entfernt vom Krankenhaus. Sie kam zum Entschluß, daß ihre Nachricht ein guter Vorwand für einen Besuch bei ihm sei.
    Sie fragte nicht, weswegen sie einen Vorwand für einen Besuch bei ihm benötigte. Noch fragte sie, ob sie den Vorwand für ihn oder für sich benötigte.
    Das Krankenhaus lag in einer heruntergekommenen Gegend der Altstadt. Pike Street, ein zehnminütiger Spaziergang, war noch heruntergekommener, ein Eindruck, gegen den die Hitze und der Staub des August nichts ausrichten konnten. Auch der Januar würde nichts helfen. Kleine Geschäfte auf der einen Seite, davon viele mit Brettern vernagelt. Durch die zerfetzten Poster von der Farbe von Eingeweiden wirkten die Bretter skrofulös. Auf der anderen Seite lagen der verlassene Hof einer Reparaturwerkstatt, zwei Häuser mit ausgefransten Seitenwänden, die von Holzstützen aufrecht gehalten wurden, eine Lagerhalle für Wein und eine Begegnungsstätte für alte Menschen. Katzen beobachteten sie von Türschwellen und Fensterbrettern aus. Ein verwüsteter Lieferwagen ruhte auf seinen Radnaben draußen vor der Lagerhalle. Einige Mädchen hingen vor der Werkstatt herum und traten gegen den blauen Kunststoffzaum. Ansonsten rührte sich nichts.
    Es war eine Straße, wo Vertrauens-Buttons vielleicht noch ein Thema waren. Sie starben nur schwer aus. Mädchen von hier, die traditionellen Rollenmustern treu waren, führten womöglich Banden an, die Buttons verlangten, jedoch nur spaßeshalber, mit vielen schlimmen Worten und wenig Aktion. Männliche Banden, deren Mitglieder jetzt im mittleren Alter standen und zäh zusammenhielten, waren seltener geworden,

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