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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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mitnehmen. Das Tauziehen um jeden Mann
unter vierzig war unmöglich, und sie war es leid, mit
Mädchen zu tanzen.
    Danno war jetzt etliche Jahre in der Armee. Die Streitereien
zwischen ihm und seiner Mutter waren immer widerlicher geworden; so
war es kein Wunder, daß er ging, sobald die Armee ihn haben
wollte. Papa war nicht erfreut gewesen, hatte jedoch die
Notwendigkeit eingesehen.
    Julius’ Kopf und Schultern tauchten über dem
Fußboden auf. »Was macht der Chemiekurs?«
    »Schwer, Julius.« Sie schnitt eine Grimasse. »Alles
hängt dermaßen voneinander ab. Und er steht dem Üben
im Weg.«
    »Hab ich mir doch gedacht, daß da was ist. Bist du
nicht mehr mit dem Herzen dabei?«
    »Wobei? Medizin oder Musik?«
    Er trat eine Stufe höher und stützte sich auf die
Unterarme. »Neulich habe ich gelesen, Harriet, daß es in
lediglich zwei Kubikzentimetern Ejakulat vielleicht eine Million
Spermen gibt. Das sind ganz schön viele Menschen. Und es ist
noch immer lang hin, bis der letzte alte Tattergreis das nicht mehr
hinkriegt. Mindestens dreißig Jahre. Legt man die
gegenwärtige Sammelrate zugrunde, werden wir bis dahin schlicht
für ewig Menschen auf Eis haben… Ich meine damit, weswegen
sollte man sich die Mühe geben, nach einer Behandlung zu
forschen?«
    »Nicht Menschen, Julius. Nur Frauen.«
    »Ist das wirklich so schlimm? Alles in allem genommen ist die
Welt bereits netter geworden. Und der Verlust männlicher Embryos
reduziert die Bevölkerung.«
    Es war ein Spiel, das er mit ihr spielte. Advocatus diaboli. Heute
konnte sie sich nicht darüber ärgern. Vielleicht hatte er
recht.
    »Vielleicht haben Sie recht.«
    »Vielleicht auch nicht.« Er hob eine der üppigen
Brauen, auf die er so stolz war. »Was ist dann mit Musik? Davon
ist mehr aufbewahrt als von diesem ganzen Sperma. Wer benötigt
weitere Pianisten?«
    »Hab ich Ihnen gesagt, daß Danno übers Wochenende
kommt?«
    Er grinste. »Schon gut. Hab begriffen.« Der Kessel unten
in der Küche begann zu pfeifen. »Tatsächlich gibt es
Platz genug für beides. Viele ausgezeichnete Wissenschaftler
sind…«
    Sie fiel ein. »… sind auch ausgezeichnete
Musiker.«
    Sie lachten beide.
    »O je… also wiederhole ich mich. Ich bin auch so
’n alter Furzknoten, der junge Leute fragt, wie sie auf der
Schule in Chemie weiterkommen. Das ist der Preis, den du für den
Kontakt mit einer aussterbenden Lebensform bezahlst.« Er tauchte
die Stufen hinab und tauchte wieder auf. »Selbst das stimmt
nicht. Es wird jede Menge alter Männer geben, die dich
überleben werden. Die jungen Männer, die wirst du nicht
mehr zu Gesicht bekommen.«
    Er kehrte nach unten zurück, und das Pfeifen hörte auf.
Harriet entknotete ihre Beine unter dem Klavierhocker, stand auf und
wanderte zum offenen Fenster hinüber. Schockartig wurde ihr
klar, daß sie sich langweilte. Sie hätte nicht bleiben
sollen. Das Warten auf einen Tee, den man nicht haben wollte, war langweilig.
    Sie blickte auf den Dschungel-Garten hinaus. Ein
Ablenkungsmanöver fiel ihr ein.
    »Polly?« rief sie in den tiefsten Tönen, die
ihr zur Verfügung standen. Es sollte nach Julius klingen. Und
dann, in zwei aufsteigenden Tönen: »Polly?«
    Nichts geschah. Niemals geschah etwas, wenn sie rief. Aber der
Versuch konnte nicht schaden.
    Junge Leute, hatte er gesagt. Sie kam sich nicht so jung
vor.
    Julius kam mit einem beladenen Teetablett die Stufen herauf. Eine
zerkratzte Silberkanne, seltsame Tassen und Kännchen aus
Knochenporzellan. »Wie ich gesagt habe. Die ganzen jungen
Männer… aber das Schlimme ist, ich trauere nicht um sie.
Ich sollte es natürlich. Es wäre einfacher, wenn ich schwul
wäre. Ein berühmter alter König der Literatur –
ich will mich nicht daran erinnern, wer es war –, hat einmal
gesagt, er könne jungen Männern alles vergeben, weil sie so
schön seien. Ich beneide ihn.« Er trat vor und setzte das
Tablett auf dem Kaffeetisch ab. »Harriet, findest du junge Männer schön? Du bist anscheinend weiblich,
geschlechtlich reif und nicht merkbar lesbisch – findest du junge Männer schön?«
    Sie dachte darüber nach. »Ich hätte gedacht, er
meinte attraktiv.«
    »Ein literarischer Gentleman, Harriet. Ich denke, wir sollten
ihm glauben, daß er meinte, was er sagte.«
    »Dann kann ich keine Antwort geben. Nicht bei Männern.
Sie mögen schön sein, ich weiß es nicht. In meinem
Alter steht da der Sex im Weg.«
    Julius war entzückt. »Für ihn offenbar auch. Wer es
auch immer war.«
    Aber

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