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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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zappelte herum. Sie versuchte, sich den Rock über die
Knie zu ziehen, aber er war zu kurz. Sie war unsere Virologin, das
Herz unseres Teams, Dr. Liesl Wronowicz, ausgebildet in den USA,
medizinischer Abschluß in Harvard, Doktor im MIT. Sie war stets
ein wenig ängstlich, versuchte stets, sich hübscher,
strahlender, schöner, besser zu machen, angefangen vom Bridge
bis hin zum Zusammenkitten von DNA. Ich hatte sie,
überraschenderweise, Brandt International abgejagt. Dort hatte
es persönliche Differenzen gegeben, wie sie sagte. Zwei Wochen
Zusammenarbeit mit ihr sagten mir, daß sie außerstande
gewesen waren, ihren Perfektionismus zu ertragen.
    Müßig blätterte ich durch die Ordner. Der dritte
von oben war derjenige, der nicht dort gewesen war, als ich sie
weggelegt hatte. Er enthielt einige Darstellungen altmodischer
DNA-Erweiterung als Methode, das Geschlecht menschlicher
Keimbläschen zu bestimmen. Nicht wertvoll, nicht einmal
nützlich, aber jemand hatte geglaubt, er sei es wert, ihn sich
auszuleihen, vielleicht über Nacht, und er hatte daraufhin
während der letzten Stunde den Safe geöffnet und ihn
zurückgelegt, während ich nicht im Büro war. Und ich
hätte niemals etwas davon erfahren, wenn ich nicht an jenem
Morgen früher gekommen wäre als der Betreffende und damit
angefangen hätte, meine Unterlagen zu sichten.
    Der dritte von oben – das war tödlich. Warum einen
Ordner als dritten hineinlegen, wenn es nicht heimlich hätte
sein sollen, damit es mir nicht auffiel?
    Jemand.
    Gusso Polder traf ein und schob sich um den Türrahmen herum.
Ich hob einen Finger, um ihn zum Schweigen zu veranlassen, deutete
auf einen Stuhl und stellte zu Maggi durch.
    »Irgendwelche Anrufe während der letzten
Stunde?«
    »Nichts auf der Maschine, Boss.«
    »Sie waren nicht hier?«
    »Mußte hinüber zur Bibliothek, bin gerade, kurz
vor Ihnen, zurückgekommen. Irgendwelche Probleme?«
    »Keine Probleme, Maggi.«
    Ich schaltete ab. Überhaupt keine Probleme. Ein leeres
Büro, ein unbewachter Safe und fünf Leute, fünf
Kollegen, Freunde, Maggi, Gusso, Natya, Karen und Liesl, welche die
Kombination kannten. Verdammt noch mal, überhaupt keine
Probleme!
    Die anderen trafen ein. Ich wartete, bis sie sich gesetzt hatten,
Karen sich eine angesteckt hatte, Gusso deswegen aufgestöhnt
hatte, und dann teilte ich ihnen mit, daß ich, da mein Antrag
jetzt eingereicht war, aus Sicherheitsgründen meine
persönlichen Codes und Kombinationen ändern würde. Und
ich bat sie, wegen der zu erwartenden wenig hilfreichen Reaktion der
Ministerin auf meinen Antrag, einen gemeinschaftlichen Vorschlag
für ein Testprogramm für Schwangerschaften mit Freiwilligen
zu erarbeiten, weil das die einzige ›Hausarbeit‹ war, die
wir noch für die Ministerin erledigen konnten.
    Persönlich, sagte ich zu ihnen, benötigte ich
moralischen Auftrieb, also würde ich ein paar Tage Urlaub
nehmen. Vielleicht länger.
    Treffen vorüber. Keine Erklärungen. Ich bezweifle,
daß man mich wiedererkannte. Es war mir egal. Das Problem war,
daß ich wegen einen von ihnen sie allesamt haßte.

 
Der Bevölkerungsrückgang
Jahr 20: Mitte Juni
4
     
    Harriet spreizte die Finger und streckte sie, bis die Bänder
im Handrücken und in den Gelenken knarrten. So junge Hände,
hatte Julius zu ihr gesagt. Süße sechzehn und noch nie
geküßt. So geschmeidig werden sie nie mehr sein.
    Sie schlug eine Seite zurück und fing von vorne an. Der
Prokofieff war wuchtig, rasche, volle Akkorde, viel Bewegung: nach
einer halben Stunde am Keyboard schmerzten ihr die Arme. Sie liebte
das Stück, aber jetzt konzentrierte sie sich auf die Bewegung
als solche und hoffte, daß sich die Einzelheiten von selbst
ergäben.
    »Es reicht!« Über das Hämmern hinweg vernahm
sie Julius’ Protest und hörte auf. »Du wirst
müde.«
    »Nein.« Sie beugte sich vor, um die Musik genauer in
Augenschein zu nehmen. »Es ist bloß so, daß ich
anscheinend nicht…«
    »Dann werde ich müde.« Er erhob sich vom
Hocker neben ihr. »Teezeit.«
    Sie kam nach der Schule hier herauf nach Eckett, um Stunden zu
nehmen – es war ein langer Nachhauseweg, aber sie blieb stets
zum Tee, selbst heute, wo sie ruhelos war und sich auf das
Wiedersehen mit Daniel freute. Sie schätzte jeden Augenblick,
den sie in Julius’ und Ankas schäbigem alten Haus
verbrachte. Es war ein Steingebäude, vor dem Ersten Weltkrieg
erbaut, und stand auf einem prächtigen Platz, der nach seinem
Designer Eckett benannt war. Er war

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