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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Brandt gestohlen und
ist dann in die Wälder auf der anderen Seite des Flusses
hinaufgegangen. Aber er hat nicht das Richtige erwischt und sich die
verrottete, lausige Kehle verbrannt.«
    Harriet drückte die Stirn an das kühle Glas des
Fensters. »Ich komme sofort, Mama.«
    »Sie haben ihn gerade erst gefunden. Ich hab Daniel Bescheid
gesagt. Dein Vater war auf Nachtschicht, hat sich wie immer
abgemeldet. Ruhig, sagt der Mann, aber das ist nichts
Ungewöhnliches. Aber er ist nicht nach Hause gekommen. Ich war
krank vor Sorge.«
    »Ich hab gesagt, ich komme sofort, Mama.«
    »Sie haben ihn gerade erst gefunden. Scheußlich. Sieht
aus, als ob das Zeug nicht mal seinen Magen erreicht hätte. Ich
hab Daniel Bescheid gesagt. Sie sagten, es hätte eine Weile
gebraucht, bis er tot war.«
    »Ich bin da, so schnell ich kann, Mama. Danno kommt
auch?«
    »Was hast du denn gedacht? Du kennst deinen Bruder. Nette
Entschuldigung für ’n bißchen Ausgang. Urlaub aus
dringenden familiären Gründen nennen sie’s. Das ist
zum Lachen.«
    Harriet preßte die Augen fester zusammen. Halt den Mund,
halt den Mund, halt den Mund!… Schütte deine
Schuldgefühle und deinen Kummer über jemand anderen aus, du
blöde Kuh! Sie entspannte sich. Nein. Schütte beides
über mich aus. Danno wird seinen Anteil schon erhalten haben.
Wer ist denn sonst noch da? Oma? Nein, schütte beides über
mich aus.
    »Bis heute abend, Mama. Gegen sechs, vermutlich. Hängt
von den Zugverbindungen ab.«
    »Eine Frau, die ihren Hund ausführte, hat ihn gefunden.
Hat ihre Schuhe vollgekotzt. Und er hat ihr einen Scheck
hinterlassen. Keinen Brief für mich, nur einen Scheck. In einem
Umschlag: ›Damit es leichter für den ist, der mich
findet‹. Lieber Gott! Nicht viel, aber sie hat’s sich
vermutlich verdient.«
    »Ich mach mich dann jetzt auf den Weg.«
    »Ich habe sie noch nicht gesehen, aber ich habe mit ihr
gesprochen, und sie sagt, kein schöner Anblick. Der gute alte
Johan, macht bestimmt daraus ’ne richtig schöne
Schweinerei.«
    »Es ist gerade zwölf durch, Mama. Ich gehe so rasch zum
Bahnhof hinüber, wie ich kann. Halt die Ohren steif, Mama.
Tschüs!«
    »Ich werde eine Frau von der Kirche oben für die
Beerdigung holen. Unsere Gründerin, sie ist frei. Das ist
Margarethe Osterbrook. Und sag mir nicht, das hätte er nicht
gewollt. Er ist draußen, der verfluchte Mistkerl!«
    »Mama, ich muß los. Ich leg jetzt auf.
Tschüs.«
    »Der hiesigen Vikarin macht’s nichts aus. Alle
können ihre Räumlichkeiten benutzen. Ökumenisch –
so heißt das. Nicht, daß sie eine eigene Gemeinde
hätte, die es wert wäre, daß man darauf auch nur
spuckt, was ich so höre.«
    »Ist schon in Ordnung, Mama. Du sprichst mit ihr. Ich bin um
sechs bei dir. Tschüs.«
    Sie knallte den Hörer auf die Gabel und wandte sich vom
Fenster ab. Die Bücher auf Karls kühlen weißen
Regalen standen noch immer an ihren Plätzen. Seine Bilder
blickten sie ruhig an. Sein Füller lag noch immer auf seinem
Notizblock vor der Tastatur auf dem Schreibtisch. Nichts hatte sich
verändert. Die antike Standuhr neben der Tür tickte noch
immer.
    Eltern blieben immer Eltern. Wie alt war Papa gewesen?
Vierundzwanzig Jahre älter als sie. Dreiundvierzig. Dreiundvierzig…
    Warum?
    Sie wußte, warum.
    Sie setzte sich und stand sofort wieder auf. Sie mußte zum
Bahnhof. Einige Sachen in die Tasche werfen. Gott sei Dank wurden
Anrufe für sie von Lieses Wohnung in Haldanes
herübergeschaltet. Gott weiß, wann sie ansonsten davon
gehört hätte. Karl. Sie mußte Karl erreichen.
Vielleicht käme er mit. Sie konnte nicht allein gehen. Er
mußte mitkommen.
    Wie lange wären sie weg? Wer würde Gnasher füttern?
Sie mußte Liese erreichen, sie dazu bewegen, daß sie sich
um die Katze kümmerte. Liese mochte ihn nicht besonders, aber
das war halt Pech. Liebe mich, so liebe auch meine Katze.
    Was sonst noch? Sie mußte Danno anrufen. Nein. Bei der Basis
bis zu ihm durchzukommen, benötigte eine Ewigkeit, und er mochte
bereits gegangen sein. Was also sonst noch?
    Schwarz. Mama würde von ihr erwarten, daß sie Schwarz
trüge. Was hatte sie da? Irgendwas Konventionelles. Die Kirche
von Gott der Mutter war sehr konventionell.
    Sie bemerkte, daß sie sich nicht aus dem Stuhl beim Fenster
gerührt hatte. Sie zwang sich, ins Zimmer zu gehen, wo sich
nichts verändert hatte, und nahm dabei ihre Veränderung mit
sich. Man nannte es einen Todesfall in der Familie. Sie beugte sich
über Karls Schreibtisch und

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