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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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erwiderte,
seines Wissens nach hätte sein Vater keine Wünsche gehabt,
funkelte sie seine Mutter an, als ob sie nicht überrascht
wäre. Die Kinder auf ihrer Insel hatten wahrscheinlich
Glück mit ihrer Lehrerin.
    Als es Zeit für den Wagen wurde, war er froh, daß Oma
darauf bestanden hatte. Die Sonne schien auf Papas Sarg, die Blumen
und die glänzenden schwarzen Räder des goldgeränderten
Wagens, und er war stolz darauf, ihn zu schieben. Harriet ging neben
ihm, eine Hand ruhte auf dem Wagengeländer. Dahinter kamen seine
Mutter mit Oma: das war Teil der Tradition.
    Obgleich seine Mutter auch einen kleinen Sieg errungen hatte.
Margarethe Osterbrook, die Gründerin ihrer Kirche, führte,
in Blau gekleidet, ihre kleine Prozession an. Eine weitere verfluchte
Frau. Es kümmerte ihn nicht – irgend jemand mußte
ihnen sagen, was zu tun war. Sie hatte draußen vor dem
Leichenschauhaus des Krankenhauses gewartet. Sie schüttelte ihm
die Hand und fragte ihn, ob er an der Grabstätte ein paar Worte
sprechen wolle. Er verneinte. Er hätte es gern getan, aber er
brachte es nicht fertig. Sein Herz war noch schlimmer gebrochen als
gestern.
    Harriet, die sich an Margarethe Osterbrook vom morgendlichen
Frühstücksfernsehen her erinnerte, war angenehm
überrascht von ihr. Die zuckrige Predigerstimme war ein Bluff
gewesen, oder sie war vielleicht nicht mehr darin geübt. Sie war
stämmig und wirkte vernünftig. Sie hatte ein kräftiges
Gesicht und sanfte Hände, ein Aushängeschild für Gott
die Mutter. Sie war alles, was die arme Mama nicht war. Und sie hatte
Danno ihren Tribut als Herrn des Hauses gezollt, für Margarethe
Osterbrook eine merkwürdige Geste, wie aus dem letzten
Jahrhundert.
    Auch war sie willens, Papas Selbstmord anzuerkennen und
hinzunehmen. »Deine armer Vater hatte Probleme gehabt, denen er
sich nicht stellen konnte«, sagte sie kurz angebunden.
»Gott jetzt auch noch hinzuzufügen wäre lieblos,
glaube ich – so etwas sollten wir von Ihr nicht erwarten. Und er
ist auf jeden Fall durch Ihre Hand gestorben, nicht durch die
eigene.« Sie lächelte. »Wie wir alle.«
    Harriet ging neben dem Wagen, eine Hand berührte leicht sein
Geländer: und durch das Geländer und die schweren, von den
Achszapfen gestützten Wagenbretter und den Sarg berührte
sie ihren Vater. Sie hatte ihn sich oben im Krankenhaus nicht
angesehen, hatte es nicht gewollt. Dank ihres Medizinstudiums war sie
an Tote gewöhnt, und sie waren um so vieles weniger als die
Lebendigen, daß sie den Sinn nicht eingesehen hatte. Sie hatte
Bilder ihres Papas im Kopf, die weitaus mehr waren. Das Geländer
des Wagens zu berühren war mehr. Sie spürte das Gewicht
seines Körpers, der jetzt ein Leichnam war. Er war schwer. Er
war ein ziemlich großer Mann gewesen, und jetzt war er ein
ziemlich großer Leichnam.
    Sie hörte ihre Mutter und Oma hinter sich ruhig miteinander
sprechen, eine alte Frau und eine jüngere Frau. Jetzt
hörten sie sich nach dem an, was sie waren -Mama war Omas
Tochter. Kaum zu glauben. Vergangenen Sommer war Harriet
draußen auf Omas Insel gewesen, ehe sie aufs College gegangen
war. Die Zahl der Schüler an der Schule, wo Oma unterrichtete,
schrumpfte, und die Schule würde womöglich schließen
müssen. Sie hatte Oma in ihrem Leben nicht sehr häufig
gesehen, aber sie liebte sie wahrscheinlich mehr als jeden anderen,
mehr sogar als Karl. Sie schrieben einander Briefe, und vielleicht
half es, daß sie einander nicht trafen. Sie hatte Oma gleich
von Karl geschrieben, nachdem sie zum zweiten Mal miteinander
geschlafen hatten. Daß sie neunzehn war und er
fünfundvierzig und schwarz. Oma hatte nicht so getan, als ob sie
das billigen würde, aber sie hatte Mitgefühl gezeigt. Was
sollte man denn tun, wenn es keine Männer im eigenen Alter mehr
gab, mit denen man Sex lernen konnte?
    Sie lernte den Sex mit Karl sehr gut. Als sie jünger gewesen
war, hatte Papa mit ihr über die Ähnlichkeiten von
Männern und Frauen gesprochen. Karl zeigte ihr die Unterschiede.
Daß er schwarz war, half ihr dabei: der Kontrast zu ihrem
Weiß-Sein gefiel ihr. Sein muskulöser Hals erregte sie,
seine großen, bleichen Hände, sein erstaunlicher Penis.
Ihr gefiel die Vorstellung, daß seine Schwärze in ihr war,
und sie wollte so sehr ein Baby von ihm, insbesondere jetzt, da Papa
tot war, aber sie war erst neunzehn, zu jung, und sie wußte
nicht, was er sagen würde. Sie glaubte nicht, daß er
Babies mochte.
    Mrs. Hand von nebenan wartete an der

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