Messer, Gabel, Schere, Mord: Mitchell& Markbys Vierter Fall
der Gedanke, durch ihre Ehe mit Fulton noch ein Ass im Ärmel zu haben?«, überlegte Pearce stirnrunzelnd.
»Vielleicht dachte sie damals schon an die Möglichkeit, ihn eines Tages zu erpressen? Die sich dann ja auch ergeben hat. Sie musste ziemlich lange warten, und sie muss eine geldgierige Frau gewesen sein. Schließlich hat sie mit ihrem Laden gutes Geld verdient.« Markby schüttelte den Kopf.
»Ich denke nicht, dass Geld die treibende Kraft war. Wie ich es sehe, war Ellen zum Zeitpunkt ihres Todes eine erfolgreiche, aber einsame Frau. Sie war eine einstige Schönheit, die ins mittlere Alter gekommen war. Eine kurze, weit zurückliegende Ehe war gescheitert. Falls sie eine Liaison mit Bryant hatte, dann war sie ebenfalls lange vorbei. Sie hatte keine Freunde, jedenfalls nicht das, was wir darunter verstehen. Die übrigen Mitglieder der Historischen Gesellschaft hatten Allianzen geschmiedet, und sie stand außen vor. Margery Collins war die Person, die ihr noch am nächsten stand, und sie kann man wohl kaum als Vertraute bezeichnen. Ich denke, Denis hat Recht, wenn er meint, dass Ellen sich nicht genug aus ihm gemacht hat, um sich die Mühe zu machen, eine Scheidung auch nur in Betracht zu ziehen. Doch dann, eines Tages, hat sich alles geändert. Ellen schlägt ihre Zeitung auf, und da ist Denis. Im mittleren Alter, beleibt, mit dünner werdendem Haar – und wieder verheiratet. Verheiratet mit einer atemberaubenden Frau, die über ein großes Vermögen verfügt und sich in den höchsten Kreisen bewegt. Nennen Sie es Neid, Missgunst, Boshaftigkeit, alles was Sie wollen. Ellen hasste Denis für sein Glück. All ihre Frustration kam hoch, und sie erpresste ihn, um ihn bezahlen zu lassen. Nicht in Geld, nicht nur, sondern auch in Schuldgefühlen und Angst. Sie ließ ihn für sein Glück bezahlen, weil es ihm gelungen war, sie zu vergessen und zu leben, als hätte es sie niemals gegeben. Sie wollte weder ihn noch das Geld. Sie wollte Rache.«
»Ziemlich starker Tobak …«, sagte Pearce nachdenklich.
»Dynamit. Die Hölle kann nicht schlimmer sein als die Rache einer verschmähten Frau. Sie täten gut daran, sich das zu merken, Pearce, für die Zukunft. Nun denn, ich schätze, die Zeit ist gekommen, um ein paar unserer Theorien zu überprüfen.« Markby nahm den Hörer von der Gabel. Kurze Zeit später sagte er:
»Paul? Ja, ich bin’s, Alan … Nein, es hat nichts mit Emma zu tun. Wie geht es ihr? Gut. Hör zu, Paul, du hast doch gesagt, Denis Fulton hätte dir vor längerer Zeit einmal einen Brief geschrieben. Ja, richtig. Hast du ihn noch? Könntest du ihn heraussuchen und auf dem Revier vorbeibringen? So schnell wie möglich. Ich wäre dir dankbar. Und Paul? Kein Wort zu niemandem. Danke.« Er legte den Hörer wieder zurück. Menschen mochten kommen und gehen, aber Schreibmaschinen blieben immer gleich. Nun ja, jedenfalls für ein paar Jahre. Denis benutzte heutzutage eine Textverarbeitungsmaschine, doch er besaß den Rechner noch nicht allzu lange. Der Brief, den er Paul geschrieben hatte, war mit ein wenig Glück Maschine geschrieben. Wie der Brief an Ellen Bryant, in dem ihr das Treffen in Springwood Hall vorgeschlagen wurde. Schreibmaschinen konnte man identifizieren. Falls die fatale Nachricht an Ellen aus Denis’ Schreibmaschine stammte, würden sie es bald wissen. KAPITEL 19 Unsicher blieb Zoë im Eingang des Restaurants von Springwood Hall stehen. Die elegante Empfangsdame hatte sie hergeführt, und sie fühlte sich wie eines jener armen Dorfkinder vergangener Zeiten, das mit seinem fadenscheinigen Sonntagsstaat ausstaffiert und zur jährlichen Teeparty in das
»Hohe Haus« eingeladen worden war. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie war sich schmerzlich der Tatsache bewusst, dass ihre Nervosität – blinde Panik wäre wahrscheinlich ein passenderer Ausdruck – für jedermann offensichtlich sein musste. Nicht, dass im Augenblick irgendjemand von ihr Notiz genommen hätte. Das Restaurant war nur zur Hälfte gefüllt. Die Gäste schienen mit sich selbst beschäftigt, mit ihrem Essen, ihrem Wein und ihren Unterhaltungen. Zoë dagegen war es unmöglich, die anderen zu ignorieren. Sie wirkten alle so unglaublich gelassen. Wie machten sie das nur? Die Antwort lautete, wie ihr fast augenblicklich bewusst wurde, dass diese Leute in so gut wie jeder Hinsicht anders waren als sie selbst. Sie waren in mittlerem Alter, vermögend und gepflegt. In teuren Restaurants zu essen war für sie vollkommen
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