Messer, Gabel, Schere, Mord: Mitchell& Markbys Vierter Fall
dass Ellen … auf schreckliche Weise ermordet wurde und dass Sie den Mörder finden müssen … aber all dieses Herumstochern in ihren privaten Angelegenheiten, ist das wirklich notwendig? Ellen hätte es bestimmt nicht gerne gesehen. Ich habe das Gefühl, als wäre sie hier bei uns im Zimmer und könnte alles sehen. Ich fühle mich so schuldig …«
»Dazu gibt es keinen Grund. Sie haben sicher Recht, dass Ellen dieses Vorgehen nicht gefallen hätte, wenn sie noch am Leben wäre – aber sie ist tot, und falls ihr Schatten über uns schwebt, dann bin ich sicher, dass er nichts weiter möchte, als dass wir Gerechtigkeit üben.« Markby lächelte ihr, wie er hoffte, aufmunternd zu.
»Wenn es nicht notwendig wäre, würde ich es nicht tun. Ich bin ein vielbeschäftigter Mann.«
»Ja. Ich weiß das zu schätzen«, murmelte sie.
»Aber was genau suchen Sie eigentlich? All diese Zahlen … vielleicht sind sie ja hier und da ein wenig unstimmig, aber es gibt sicher einen einfachen Grund dafür, der nichts mit dem Mord zu tun hat, oder?« Margery starrte ihn an. Die Augen in ihrem bleichen, dreieckigen Gesicht wirkten durch die Brille hindurch riesenhaft.
»Ich suche nach einem Motiv«, sagte Markby leise. Ihre dürre Gestalt schien auf dem Stuhl noch weiter in sich zusammenzufallen, wenn das überhaupt möglich war, und sie sah elend und verzweifelt aus.
»Geld ist die Wurzel allen Übels«, sagte sie düster und resigniert.
»Und doch, Margery, töten die Menschen auch aus anderen Gründen, die nichts mit Geld zu tun haben. Liebe, Eifersucht, Neid …«
»Ich weiß nichts über diese Dinge …«, flüsterte Margery fast unhörbar.
»Manche Menschen«, entgegnete Markby genauso leise,
»würden sagen, dass Sie sich deswegen glücklich schätzen können.« Eine Windbö ließ den Regen laut gegen die Scheiben prasseln und rüttelte an den Riegeln, als würden ungeduldige Finger versuchen, sie zu öffnen. Vielleicht ist es doch Ellens Schatten, dachte Markby ironisch, der hereinkommen und mich von meiner Arbeit abhalten will. Pech für sie, dass er die Leitung der Ermittlungen übernommen hatte.
»Ich habe nach einem Motiv gesucht«, erklärte er Pearce später in seinem Büro.
»Und ich glaube, dass ich eins gefunden habe.« Er deutete auf den nassen Aktenkoffer, den er auf seinem Schreibtisch abgestellt hatte, während er seine grüne wasserdichte Jacke auszog und einen Schauer von Tropfen durch das Zimmer sandte.
»Dieser Laden, Pearce«, ertönte Markbys Stimme dumpf, während er die Barbourjacke auf einen Haken hängte und gleichzeitig versuchte, sein Haar zu glätten,
»dieser Laden hat nicht nur als Geschäft für Kunsthandwerk fungiert, sondern als Wäscherei!«
Er wandte sich um und sah, dass Pearce die Augenbrauen gehoben hatte.
»Nicht für schmutziges Leinen, nein. Für schmutziges Geld! Obwohl schmutziges Geld und schmutziges Leinen oft einträglich nebeneinander existieren.«
»Meine Güte!«, sagte Pearce nach einem Moment verblüfften
Schweigens.
»Sie glauben, Ellen Bryant hat jemanden erpresst?«
»Unerklärliche Geldbeträge, die auf ihrem Geschäftskonto in einigermaßen regelmäßigen Abständen eingegangen sind, beginnend vor etwa acht Monaten? Angeblich ein Teil der Geschäftseinnahmen, aber im täglichen Betrieb nicht nachvollziehbar? Was könnte es sonst sein?«
»Aber sie hatte das Geld nicht nötig, oder? Das Geschäft lief ziemlich gut.«
»Finanzieller Gewinn ist nicht das einzige Motiv für Erpresser.«
»Glauben Sie, Mrs. Bryants Angestellte weiß etwas darüber?«
»Ich bezweifle es. Sie ist viel zu ehrlich. Vielleicht hatte sie einen Verdacht, dass etwas nicht stimmte. Sie führt ein Rückzugsgefecht, um mich daran zu hindern, weitere Fragen zu stellen. Eine eigenartige Beziehung, die sie und Ellen Bryant hatten. Ellen war nie besonders nett zu Margery, aber sie hat ihr einen Haufen Geld plus ihr Geschäft vermacht. Schlechtes Gewissen? Oder ein schräger Sinn für Humor? Oder war es ihr egal, wer das Geld hatte? Wir werden es nie erfahren. Margery scheint Ellen bewundert zu haben, aber sie mochte sie nicht wirklich. Und jetzt belastet es sie, dass sie eigentlich Dankbarkeit zeigen sollte. Das arme Kind ist völlig konfus.«
»Erpressung …«, wiederholte Pearce.
»Das Opfer wird sich jedenfalls nicht melden, so viel ist sicher.«
»Vielleicht hat es sich ja bereits gemeldet – mit einem Messer in der Hand, um der traurigen Geschichte ein Ende zu bereiten.«
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