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Messewalzer

Messewalzer

Titel: Messewalzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Stammkötter
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protestierte Kroll.
    »Lass dich überraschen«, antwortete Liane mit einem geheimnisvollen Lächeln.
    Kroll wollte die Zeit vor Lianes bevorstehender Abreise noch nutzen, um ihr ein paar Fragen zu stellen. »Dass du die Tochter von Annemarie Rosenthal bist, hat uns natürlich alle überrascht. Da wären wir nie draufgekommen.«
    Liane schien das Thema nicht angenehm zu sein. Sie zuckte nur mit den Achseln, stand vom Küchentisch auf und kramte im Küchenschrank herum. Kroll hatte den Eindruck, dass sie ihn nicht ansehen wollte. Er hakte trotzdem nach. »Dann warst du ja ebenfalls im Auto, als das Verbrechen verübt wurde. Warum hast du uns das nicht früher erzählt?«
    Liane wühlte immer noch im Küchenschrank. Ihre Bewegungen waren ruckartig. »Retrograde Amnesie!«
    »Bitte was?«
    »Das ist der medizinische Fachbegriff für einen vollständigen, auf einen bestimmten Zeitraum begrenzten Gedächtnisverlust. Da ist nichts zu machen. Glaub mir, an mir hat sich schon ein Haufen Wissenschaftler versucht: Ärzte, Psychologen, Psychiater, Hypnotiseure und was weiß ich noch alles. Ich kann mich einfach nicht mehr an die Vorkommnisse von damals erinnern.« Sie drehte sich um und sah Kroll wieder an. »Und glaub mir, das ist besser so.«
    Kroll nickte und schlürfte seinen Kaffee. »Tut mir leid, wenn dir das zu nahe geht. Aber es gehört einfach zu meinem Job, auch unangenehme Fragen zu stellen.« Liane tat so, als würde sie das alles nicht mehr interessieren. »Ist doch kein Problem. Allerdings gibt es dazu nicht mehr zu sagen. Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Punkt aus!«
    Kroll überlegte, ob es etwas bringen würde, die Zwangsadoption noch einmal zur Sprache zu bringen. Der Klingelton seines Handys riss ihn aus seinen Gedanken.
    Er vernahm die beunruhigte Stimme einer Schwester aus der Herbstvilla. »Unser Bewohner Bernd Vogelsang hatte vor einer knappen Stunde einen Herzinfarkt. Wir haben sofort die Rettung informiert. Er wurde ins Krankenhaus gebracht. Universitätsklinik, Liebigstraße.«
    Kroll war sprachlos. Die Schwester beendete die kleine Pause. »Er hat Ihre Adresse und Rufnummer für Notfälle hinterlassen.«
    »Meine Rufnummer?«, fragte Kroll erstaunt.
    »Er hat keine Verwandten mehr«, antwortete die Schwester mit entschuldigender Stimme.
    »Vielen Dank. Ich melde mich.«
    Für einen Moment überkam Kroll sein schlechtes Gewissen. Sein alter Kollege Bernd Vogelsang hatte seine Nummer bestimmt schon vor vielen Jahren, wahrscheinlich sogar bei seinem Einzug in die Herbstvilla, hinterlegt. Mit Sicherheit war er davon ausgegangen, dass Kroll ein wenig mehr Zeit für ihn aufbringen würde. Er hatte ihn enttäuscht.
    Als er in der Uniklinik anrief, erfuhr er, dass Bernd Vogelsang unmittelbar auf die Intensivstation gebracht worden war und dort weiter untersucht werde. Derzeit würde überlegt, ob und wann er operiert werden müsse. Vermutlich sei ein Bypass unumgänglich. Kroll wurde gebeten, einige nützliche Dinge wie Waschzeug und Schlafanzug vorbeizubringen.
    Nachdem Kroll aufgelegt hatte, wandte er sich wieder in Richtung Liane. »Ich muss leider los.«
    »Ist etwas passiert?«
    »Bernd Vogelsang hatte einen Herzinfarkt.« Kroll schüttelte gedankenversunken den Kopf. »Ist schon komisch, gerade, bevor ich zu dir gefahren bin, war ich noch bei ihm. Da war er völlig ruhig, völlig unaufgeregt. Und jetzt das « Er stand auf und küsste Liane auf die Wange. »Noch mal alles Gute. Ich melde mich spätestens morgen, versprochen.«
    Sie hielt ihn am Arm fest und gab ihm einen Kuss auf den Mund. »Bitte vergiss mich nicht. Ich brauche auch ein bisschen Unterstützung.«

    Vogelsangs Zimmer in der Herbstvilla war nicht anzusehen, dass sich dort vor wenigen Stunden ein Notfall abgespielt hatte. Das Bett war frisch gemacht. Auf dem Tischchen stand immer noch die Kanne Tee mit der Tasse. Bernd Vogelsangs Rollstuhl lehnte sorgfältig zusammengeklappt an der Wand. Feuchte Spuren auf dem Boden verrieten, dass das Zimmer vor Kurzem gereinigt wurde. Möglicherweise hatte Vogelsang während der Herzattacke noch etwas fallen gelassen oder seinen Harndrang nicht mehr kontrollieren können.
    Kroll sah sich im Zimmer um. Alles war penibel ordentlich aufgeräumt. Er fragte sich, ob das an Vogelsang oder an dem Personal in der Herbstvilla lag. Er setzte sich aufs Bett, genau auf die Stelle, wo er vor gut zwei Stunden schon einmal gesessen hatte. In den letzten Tagen war Kroll zwar öfter hier gewesen, er hatte jedoch

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