Messi
ignoriert den Frust der Blues und setzt seinen Soloauftritt fort. Unermüdlich beackert er die rechte Seite und arbeitet dicke Chancen für Ronaldinho und Deco heraus, die diese jedoch nicht nutzen können. Leo ist zu isoliert – ohne Unterstützung der Mannschaft kann er keine Wirkung entfalten. Währenddessen halten sich die zehn Mann Chelseas strikt an die Anweisung ihres Trainers: „Haltet einfach das 0:0.“ Nun können sie es mit gutem Gewissen rechtfertigen, hintendrin zu stehen und den richtigen Moment zum Zuschlagen abzuwarten. Die Blues kontrollieren das Spiel, und es dauert nicht lange, bis Zählbares dabei herausspringt: Angespornt durch Drogbas Einwechslung zu Beginn der zweiten Halbzeit gehen die Engländer in der 58. Minute in Führung. Bei dem Versuch, einen Freistoß von Frank Lampard zu klären, grätscht Motta den Ball ins eigene Tor. Nun ist es an Barcelona, das Spiel zu drehen. Und erneut ist es Messi, der alles in seiner Macht Stehende versucht. Er feuert die übrige Mannschaft an und ignoriert die Sprechchöre und Pfiffe der Zuschauer an der Stamford Bridge, die jeden Spielzug begleiten. Schnell und direkt bahnt er sich seinen Weg, lässt die Abwehr alt aussehen, schießt aus allen Lagen, spielt unglaubliche Pässe – für die es dann doch keine Abnehmer gibt. Mit einem gefühlvollen Schuss vom Strafraumeck streift er den Pfosten links von Chelseas Torwart. Fassungslos, ironisch lächelnd, überlegt er, wie er es hätte besser machen können. Er ist am entschlossensten von allen und schart die Mannschaft schließlich hinter sich. In der 70. Minute ist es dann so weit: Terry lenkt einen von Ronaldinho ausgeführten Freistoß an Č ech vorbei zum Ausgleich ins Tor. Nun zeigt Barcelona ein gutes Spiel und erarbeitet sich Chancen. Und wieder Messi: Er legt Larsson, der für Motta gekommen ist, eine hundertprozentige Torchance auf, doch der vergibt. Drei Minuten später stürzt sich Terry höchstselbst im Strafraum auf den Argentinier, um ihn an der Ballannahme zu hindern. Strafstoß? Der Schiedsrichter ignoriert die Situation. In der 79. Minute köpft Eto’o dann eine wunderschöne Flanke von Márquez in die Maschen. 2:1 für Barça, sie haben es vollbracht.
Bis zu diesem Moment war José Mourinho in 49 Spielen (38 Siege und elf Unentschieden) ungeschlagen an der Stamford Bridge. Nun muss er seine erste Niederlage einstecken, und die verdaut er nicht sonderlich gut. Er gibt dem Schiedsrichter die Schuld – und Leo: „Ob ich enttäuscht von dem Platzverweis für Del Horno bin? Haben Sie das Spiel gesehen? Egal, wie man es dreht und wendet, ich bin sauer auf den Schiedsrichter … schreiben Sie das, wenn Sie wollen. Aber was sollen wir schon tun? Um die Rücknahme der Roten Karte für Del Horno bitten? Messi für seine Schauspielerei sperren? Nichts davon wird am Ergebnis etwas ändern … Denn seien wir mal ehrlich, Messi hat doch Theater gespielt. Katalonien ist ein Land der Kultur, Sie wissen das ja. Und ich bin oft im Theater gewesen, und das dortige Niveau ist sehr gut. Und Messi hat bei den Besten lernen dürfen …“
„Wer auch immer sagt, dass Messi geschauspielert hat, hat ganz offensichtlich nicht gesehen, was da wirklich passiert ist“, sagt Eto’o. „Die haben doch aus allen Richtungen auf ihn eingedroschen“, wendet auch Frank Rijkaard ein. Leo selbst bemerkt nur: „Ich habe eine Wunde am Knie, eine am Oberschenkel und eine am Fuß. Mein ganzer Körper ist mit Prellungen übersät, aber ich fühle keine Schmerzen, weil wir schließlich gewonnen haben.“ Und er fügt noch hinzu: „Es war ein unglaubliches Spiel.“
Jeder pflichtet ihm bei. Das fängt schon bei seinen Mannschaftskollegen an, die ihm um den Hals fallen, als er den Platz verlässt, während die Auswärtsfans seinen Namen skandieren. Am darauffolgenden Tag überschlagen sich die Berichterstatter – sie sprechen von einem „Genie“, „einem Fußball-Virtuosen“, „Barças Goldschatz“, „der Geburt eines Stars“, „dem Besten“, „dem Tapfersten“, „dem besten Spieler“. Angesichts seiner starken Nerven trotz seines jungen Alters vergleicht man ihn mit Pelé bei der WM 1958 in Schweden, mit Maradona bei der U20-WM 1979, mit Johan Cruyff 1969 gegen Benfica Lissabon oder mit George Best. Man überschüttet ihn mit Lob. Es ist, als habe der Junge seine Reifeprüfung mit Bravour bestanden, und mit ihm die gesamte Mannschaft.
Das Rückspiel im Camp Nou findet am 7. März statt. In der 23. Minute
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