Messi
Doch Messi taucht nicht auf. Selbst die AFA ist häufig nicht in der Lage, ihn zu kontaktieren.
Unser Jüngling hält sich weder an die Mannschaftshierarchie noch an die ungeschriebenen Gesetze, die im argentinischen Fußball eine zentrale Rolle spielen. Er ist jedoch kein Rebell, er benimmt sich nicht daneben und tut nichts mit Absicht, er ist einfach so, wie er ist. In den Trainingseinheiten vor seinem ersten Einsatz bei der A-Nationalmannschaft beispielsweise findet er sich mit einem Mal Auge in Auge mit Gabriel Heinze wieder. Das wiederholt sich ein-, zwei-, drei-, viermal, und Messi zeigt ihm jedes Mal die kalte Schulter. Heinze, heute für Olympique Marseille aktiv, kocht allmählich vor Zorn und ist drauf und dran, Vergeltung für seinen verletzten Stolz zu üben. Pekerman muss dazwischengehen, um sowohl dem kleinen Kerl die Haut als auch einem seiner Spieler die Ehre zu retten. Die gleiche Szene wird sich mit anderen Akteuren in Nürnberg wiederholen, Argentiniens Mannschaftsquartier bei der WM in Deutschland. Es wäre noch milde ausgedrückt, würde man das Verhalten des jungen Spielers vom FC Barcelona unverschämt nennen. Aber zu seiner Entschuldigung muss man sagen, dass Messi noch jung ist – zu jung. Mit 18 Jahren war Maradona z. B. zwar bereits ein aufstrebender Spieler, doch César Luis Menotti hatte ihn für die WM 1978 noch nicht einmal nominiert. Nun ist Messi in Deutschland zwar dabei, man sollte sich jedoch ins Gedächtnis rufen, dass seit den 1930er Jahren kein argentinischer Spieler mit gerade einmal 18 Lenzen bei einer WM mehr eingesetzt worden ist. All diese jungen Männer, die „bereitwillig“ auf der Bank gesessen haben, mussten lernen, dass es zu ihrem eigenen Schutz notwendig ist, die Last einer Niederlage nicht auf ihre Schultern zu legen. Denn zweifellos besteht ein Risiko, sie sonst zu beschädigen.
Aber auch die Verletzung vom 7. März birgt ein solches Risiko. Messi scheint sich zwar vollständig davon erholt zu haben und konnte im Vorfeld der WM auch schon mehrere Freundschaftsspiele bestreiten. Dessen ungeachtet gibt es in der Umkleidekabine jedoch Leute, die sagen, dass seine Muskulatur ihm immer noch zu schaffen mache. Was seinen Gemütszustand angeht, vermittelt er in der Vorbereitungsphase seiner ersten Weltmeisterschaft einen fröhlichen Eindruck. In seinen Statements vor dem Turnier bestätigt er noch einmal, was alle bereits gesagt haben: die Brasilianer mit seinem Kumpel Ronaldinho an der Spitze seien die Favoriten, allerdings hätten auch die Argentinier eine gute Mannschaft: „Die Nationalmannschaft besteht aus vielen großartigen Spielern. Natürlich müssen wir einen Schritt nach dem anderen machen und von Spiel zu Spiel schauen. Wir werden auf hervorragende Gegner treffen, und jedes Spiel wird sehr schwierig sein. Trotzdem glaube ich, dass Argentinien die WM gewinnen kann.“
Die Albiceleste spielt in der Vorrunde in der Gruppe C, die schon vor der WM als „Todesgruppe“ gilt und in der sie auf die Elfenbeinküste, Serbien-Montenegro und die Niederlande treffen wird. Ein Selbstläufer wird das ganz gewiss nicht, zumal den Argentiniern die Katastrophe bei der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea, als sie bereits in der Vorrunde ausschieden, noch äußerst präsent ist.
Am Samstag, den 10. Juni, um 21 Uhr findet in Hamburg das erste Spiel gegen die Elfenbeinküste statt. Messi hat fünf Tage zuvor bei einer Trainingseinheit eine Prellung erlitten, was ihm einen Einsatz natürlich erschwert. Der Trainer möchte, dass er zunächst seine Kräfte schont, um dann später im Wettbewerb bereit zu stehen – denn man ist nicht überzeugt, dass Messi zu 100 Prozent fit ist. Folglich lässt man verlautbaren: „Wir können nichts versprechen, was irgendwelche Erwartungen wecken würde. In jeder Trainingseinheit haben wir eine Verbesserung und einen Schritt zurück zur richtigen Form beobachtet. Und er wird allmählich immer besser. Wir sind ihm sehr dankbar für den Einsatz, den er gebracht hat, um hier bei uns dabei zu sein.“ Und damit wandert Messi auf die Bank. Von seinem „privilegierten“ Aussichtspunkt aus kann er dabei zusehen, wie Hernán Crespo sein 30. Tor für die Albiceleste erzielt. Leo wird Zeuge, wie Riquelme in einem Moment göttlicher Eingebung zunächst auf die Tribüne schaut und den Ball dann ganz passgenau auf die Reise schickt. Er kann beobachten, wie der ungedeckte Javier „Conejo“ Saviola, das „Kaninchen“, den ivorischen
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