Messi
übersät, die in den fünfziger und sechziger Jahren regelmäßig in diesem Café zu Gast waren, das gegenüber dem berühmten Recoleta-Friedhof von Buenos Aires liegt. Damals waren die Zeiten noch andere. Heute drehen sich die Gespräche um den Fußball.
Was halten Sie von Lionel Messi?
„Wenn man es rein technisch ausdrückt, so ist er einer der wenigen Spieler auf der Welt, die den Ball, ohne die Augen darauf gerichtet zu haben, nach vorne treiben können. Das wiederum erlaubt es ihm, den Gegner und seine Mannschaftskollegen im Blick zu behalten und einen unerwarteten Pass zu spielen. Das kann er nur, weil er den gesamten Platz im Blickfeld hat. Er hat auch bei Höchstgeschwindigkeit eine gewaltige Genauigkeit. Er spielt einfallsreich und kreativ. Sowie er den Ball hat, ist er eine Herausforderung für den Gegner, einfach ein Erlebnis … jeder wartet nur darauf, dass etwas passiert. Und dann passiert etwas. Außerdem hat Messi in meinen Augen ein physisches Denken.“
Was bedeutet das?
„Er ist Körper und Geist. Beides gleichzeitig. Er hat dasselbe Talent, das auch Pelé, Maradona und Di Stefano besaßen. Damit ist die Geschwindigkeit gemeint, mit der sein Gehirn seinen Beinen mitteilt, was sie tun sollen. Messi hat eine Idee, und zack! schon ist sie umgesetzt. Wissen Sie, was ich meine? Zu sehen, wo der Torhüter steht und dann zwischen die Pfosten zu schießen – das wird durch Intuition ausgeführt, nicht durch Denken.“
Da Sie gerade Maradona erwähnt haben, liegt es nahe, Sie nach den Vergleichen zu fragen, die zwischen beiden immer wieder angestellt werden …
„Nach Pelés Rücktritt brauchte Brasilien 24 Jahre, um wieder Weltmeister zu werden. Wir Argentinier trauern immer noch Maradona hinterher und hoffen auf das Erscheinen eines neuen Messias, der uns wieder an die Spitze führt. Messi könnte diesen Platz einnehmen. Er braucht aber noch Zeit, muss sein Talent entwickeln, muss sich auf den Gegner einstellen und muss seine fußballerische Reife erreichen.“
Was sind seine Schwächen?
„Er begeht nach wie vor die Jugendsünde, nicht immer die richtigen Entscheidungen zu treffen. Manchmal muss man einen Sprint machen, manchmal einen Pass spielen. Ein Immer-weiter-so ist nutzlos, wenn die Partie nicht wie erwartet läuft. Dann ist es besser, die einfachste und effizienteste Lösung zu wählen. Er wird selbst kapieren, dass es der Ball ist, der weiterlaufen muss … genau diese Dinge lernt man durch Erfahrung und Alter.“
Ist Messi bereits eine Ikone?
„Er ist ein einfach gestrickter Typ, sehr bescheiden. Die Kinder bewundern ihn ganz außerordentlich.“
Warum das?
„Wegen seines Aussehens und seines Gesichts. Er erinnert mich an ein cuis [das in Argentinien sehr verbreitete Zwergmeerschweinchen]. Hinzu kommt seine natürliche Ausstrahlung, wenn er den Ball zwischen den Füßen hat. Ich hoffe, dass er seine Leidenschaft für das Fußballspielen niemals verliert. Nur so kann er zum Besten der Welt werden.“
Da Sie sich Ihrer Prognose so sicher sind … reden wir lieber weiter über seine Zukunft und insbesondere seine Risiken.
„Ich hoffe, dass ihn das Geld nicht zum Weichei macht. Auch mit Millionen von Euros auf der Bank muss er weiter rennen, trainieren und in der Kälte, im Regen und bei Schnee spielen. Ich hoffe, dass er keine Werbe-ikone wie David Beckham wird. Dabei besteht nämlich die Gefahr, die Leidenschaft für das Spiel zu verlieren. Ich hoffe, dass er niemals dieses ‚Amateurdenken‘ verliert, also diese auch von Jungs wie Pelé und Maradona bewahrte Liebe dafür, auf dem Platz stehen zu können. Es ist gewiss nicht einfach, Messi zu sein, es verursacht ganz bestimmt Kopfschmerzen. Am schwierigsten wird es sein, wenn er erst einmal oben angekommen ist und das Niveau halten muss. Sehen Sie sich nur Ronaldinho an.“
Was meinen Sie damit?
„Juan Manuel Fangio pflegte zu sagen: ‚Wenn es bergab geht, hält es keiner aus.‘ Genau das passiert Ronaldinho gerade. Wenn die Dinge anfangen, falsch zu laufen … dann sagt man sich, na gut, komme ich halt wieder in Form. Aber man kümmert sich nicht um sich selbst, man konzentriert sich nicht, man wird den lieben langen Tag in Frage gestellt. Das Umfeld ist keine Hilfe, die Freunde im Erfolg entpuppen sich nun als die denkbar schlechtesten Freunde, und die Familie ist eine Katastrophe. Die eigene Karriere geht weiter abwärts, ohne dass du auf die Bremse treten kannst. Du merkst es nicht einmal, und die Zeit tickt.
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