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Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Beckett
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wunderschönen, sanften Augen an.
    »Ich, der Robot«, fing sie an, »Fremder in einer fremden Welt …«
    Ich warf das Buch beiseite.
    »Okay, also hat man dich darauf programmiert, Informationen hochzuladen. Na und? Du bist trotzdem hohl. Es ist ja noch nicht einmal so, dass Lucy die einzige Person wäre, als die du dich ausgeben kannst, oder?«
    »Möchtest du, dass ich eine andere Rolle spiele? Die Karte liegt dort neben dir.«
    Ich nahm sie in die Hand.
    »Jolene«, las ich laut vor. »Eine eiskalte Schlampe aus New York City … Rigmor: die schwedische Ärztin, die gerne das Sagen hat … La Contessa …«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Na schön, schauen wir mal, wie du die Contessa gibst.«
    Die Verwandlung ereignete sich augenblicklich und war umfassend: Ihre Körpersprache, ihr Gesichtsausdruck, alles an ihr wurde verträumt, sinnlich, aristokratisch …
    Und als La Contessa sprach, war nicht nur ihre Aussprache anders, sondern auch ihre Stimme selbst. Nun klang sie tief und rauchig und unterschied sich in jeder Hinsicht von Lucys.
    »Ich schäme mich so, aber ich brauche auf der Stelle Sex. Verstehst du? Ich habe es sehr dringend nötig. Mein Ehemann, der Graf, er ist ein guter Mann, aber er ist … Wie soll ich sagen? Er ist zu gut …«
    »Also gut, jetzt sei Rigmor.«
    Erneut ging die Verwandlung ohne Verzögerung vonstatten: Rigmor war streng und steif und grob. »Bitte ziehen Sie sich aus, dann beginne ich mit der Untersuchung …«
    »Ach, um Himmels willen, vergiss es. Sei einfach du selbst …«

    Sie sollte sie selbst sein? Sie selbst?
    Mit einem Mal wurde das Gesicht der Syntec schlaff und ausdruckslos. Ihre Gliedmaßen erstarrten. Ihr Mund stand leicht offen. Sie sah aus wie meine Vorstellung von den Syntecs, die dasaßen, nachdem alle Kunden nach Hause gegangen waren.
    »Ich meine, sei Lucy! «, rief ich entsetzt.
    Lucy lächelte. Sie warf das Haar in den Nacken. Und sie fragte mich, was ich als Nächstes machen wollte.

Kapitel 16
    R uth war im SenSpace. Tja, wenn sie erwartete, dass ich sie da rausholte, konnte sie lange warten. Sie konnte allein entscheiden, ob sie sich wund liegen wollte.
    Charlie kam surrend aus der Küche. Da er nicht mehr sprechen konnte, blieb er einfach in meiner Nähe und wartete auf Anweisungen. Ich bestellte mir etwas zu trinken.
    Der Fernseher war noch eingeschaltet. Der Präsident von Illyrien war im Bild: der gestrenge Präsident Ullman, wie er soeben von gewaltigen Sicherheitsrobotern flankiert aus dem Gebäude des Exekutivrats trat.
    »Unser Staat ist eine Zuflucht für die Vernunft«, verkündete er mit heiserer, leicht zitternder Stimme, »ein Ort, an dem die Vernunft Unterschlupf findet, bis der Rest der Welt wieder bei Sinnen ist. In der alten Welt war die Vernunft bescheiden: Sie ordnete sich neben veralteten und irrationalen Glaubensgebäuden ein und vertraute darauf, dass die menschliche Spezies den Unterschied zwischen beidem erkennen würde. Dann kam die Reaktion, und man verlangte von uns, dass wir der Vernunft bei Androhung von Folter und Tod entsagten. Nie wieder werden wir uns mit zu wenig bescheiden, nie wieder werden wir die Vernunft ungeschützt lassen, nie wieder, bevor wir nicht die Ursachen der Irrationalität mit Stumpf und Stiel ausgemerzt haben.«
    An diesem Punkt zögerte er. Er war ein alter Mann. Ullman blätterte in seinem Manuskript herum.
    »Illyrien ist der mächtigste Staat der Welt, nicht aufgrund seiner Größe oder seiner Bevölkerungszahl, sondern aufgrund der Vernunft. Religion und Irrationalität sind bestenfalls geeignet, verängstigtes Lumpenpack aufzuhetzen. Die Macht der Vernunft hat den Düsenantrieb erschaffen, die Atomwaffe, die kalte Fusionsenergie, die superschnelle diskontinuierliche Bewegung, die erstklassigen Systeme der Kybernetik. Und wir werden unsere Macht einsetzen. Wir dulden die zerstörerischen Kräfte der Irrationalität und des Aberglaubens nicht in unserer Mitte. Nie wieder wird man uns mit dem Gerede von Toleranz zum Narren halten oder uns zu der Annahme verleiten, dass Irrationalität und Aberglaube nichts als harmloses Beiwerk wären.«
    An diesem Punkt zögerte er erneut; nicht weil er durcheinander oder müde war, begriff ich nun, sondern weil er sich anstrengen musste, um seine enorme Wut im Zaum zu halten.
    »Mit sofortiger Wirkung erlasse ich folgende Verordnungen«, fuhr er fort.
    »Erstens: Viertausend bekannte oder vermutete Unruhestifter unter den Gastarbeitern werden noch heute

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